Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung als Pflichtverteidiger erstreckt sich nicht automatisch auf Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.02.2012; Aktenzeichen 10 Js 67/11) |
Tenor
1.
Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Düsseldorf wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 2012 aufgehoben, soweit das Landgericht die Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV RVG nebst anzurechnender Umsatzsteuer festgesetzt hat. Insoweit wird die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 8. September 2011 zurückgewiesen.
2.
Über die weitergehende Erinnerung hat das Landgericht noch zu entscheiden.
3.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Pflichtverteidiger der Angeklagten war ihr für das Straf-, nicht jedoch eigens für das Adhäsionsverfahren beigeordnet. Im August 2011 hat er beantragt, Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 4.680,16 EUR festzusetzen. Unter anderem hat er eine Verfahrensgebühr nebst anzurechnender Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 697,34 EUR geltend gemacht für das erstinstanzliche Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten (Nr. 4143 VV RVG). Ferner hat er eine Dokumenten-pauschale in Höhe von 202,00 EUR brutto angesetzt. Die zuständige Rechtspflegerin hat diese Verfahrensgebühr sowie einen Teil der geltend gemachten Dokumenten-pauschale nicht anerkannt und mit Beschluss vom 8. September 2011 Gebühren und Auslagen in Höhe von 3.893,57 EUR festgesetzt.
Gegen die Absetzung von insgesamt 786,59 EUR hat sich der Verteidiger mit einer als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Erinnerung gewandt. Auf diese hat die 17. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf durch die zuständige Einzelrichterin die Vergütung auf 4.590,91 EUR festgesetzt und dabei die streitige Verfahrensgebühr berücksichtigt. Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Düsseldorf mit seiner Beschwerde, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat.
Der Einzelrichter hat die Sache gemäß §§ 33 Abs. 8 Satz 2, 56 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat zur Entscheidung übertragen.
I.
Die Beschwerde ist begründet. Der Pflichtverteidiger kann die geltend gemachte Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG für die Vertretung der Angeklagten im Adhäsionsverfahren nicht beanspruchen. Denn der Gebührenanspruch setzt gemäß §§ 45, 48 RVG die Beiordnung des Pflichtverteidigers auch für das Adhäsionsverfahren voraus. Eine solche Beiordnung hat indes nicht stattgefunden. Namentlich ist der Verteidiger nicht gemäß § 404 Abs. 5 StPO, § 121 Abs. 1 ZPO beigeordnet worden, denn Prozesskostenhilfe ist der Angeklagten für das Adhäsionsverfahren nicht bewilligt worden. Und in der Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß §§ 140 ff. StPO liegt nicht zugleich die Beiordnung als Verteidiger im Adhäsionsverfahren. In dieser Frage folgt der Senat der heute herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. KG Berlin 1 Ws 22/09 vom 24. Juni 2010, OLG Hamburg 2 Ws 237/09 vom 17. Juni 2010 sowie 3 Ws 73/10 vom 14. Juni 2010, OLG Oldenburg 1 Ws 178/10 vom 22. April 2010, OLG Stuttgart 1 Ws 38/09 vom 6. April 2009, OLG Bamberg 1 Ws 576/08 vom 22. Oktober 2008, OLG Brandenburg 1 Ws 142/08 vom 30. September 2008, OLG Jena 1 Ws 51/08 vom 14. April 2008, OLG Celle 2 Ws 143/07 vom 6. November 2007, OLG Zweibrücken 1 Ws 347/06 vom 11. September 2006, OLG München 2 Ws 1340/01 vom 26. November 2001, OLG Saarbrücken 1 Ws 65/09 vom 18. Juni 1999; a. A. OLG Rostock I Ws 166/11 vom 15. Juni 2011, OLG Dresden 1 Ws 155/06 vom 13. Juni 2007, OLG Köln 2 Ws 254/05 vom 29. Juni 2005, OLG Hamm 2 (s) Sbd 6 - 87/01 vom 31. Mai 2001, OLG Schleswig 1 StR 114/97 vom 30. Juli 1997, NStZ 1998, 101; im Übrigen sämtlich zitiert nach [...]).
Für die herrschende Meinung sprechen die überzeugenderen Argumente, welche der 2. Senat des Oberlandesgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 17. Juni 2010 ausführlich dargestellt und erörtert hat. Die dortigen Ausführungen macht sich der erkennende Senat zu eigen. Mit Rücksicht auf die davon abweichende Argumentation in der neueren Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock vom 15. Juni 2011, der sich das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss angeschlossen hat, ist lediglich ergänzend zu bemerken:
§ 404 Abs. 5 StPO konstituiert abweichend von § 140 StPO zusätzliche Voraussetzungen, unter denen ein Pflichtverteidiger auch für das Adhäsionsverfahren beigeordnet werden kann: Wie jeder, der eine staatliche Subvention zur Abwehr einer zivil-rechtlichen Inanspruchnahme begehrt, muss auch ein Angeschuldigter oder Angeklagter gemäß §§ 114 ff. ZPO bedürftig sein; zudem muss seine Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg versprechen und darf nicht mutwillig erscheinen. Weil diese zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, kann in der bloßen Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nicht zugleich schon die Beiordnung auch für d...