Leitsatz (amtlich)

Die typisierte Einkommensteuer - resultierend aus Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag - ist bezogen auf einen Bewertungsstichtag im Mai 2010 nach dem Abgeltungssteuersystem mit 26,375 % anzusetzen. Die Kirchensteuer bleibt typisierend unberücksichtigt.

Der Ansatz der Marktrisikoprämie mit 4,5 % nach Steuern ist bezogen auf einen Bewertungsstichtag im Mai 2010 nicht zu beanstanden.

Sind die Börsenkurse des zu bewertenden Unternehmens nicht aussagekräftig, kann der Betafaktor anhand der Börsenkursentwicklung einer Peer Group - hier: bestehend aus börsennotierten Lebens- und Sachversicherungsunternehmen - geschätzt werden. Der (isoliert betrachtete) Betafaktor der Hauptaktionärin - als Rückversicherer - ist demgegenüber keine vorzugswürdige Schätzgrundlage.

 

Normenkette

AktG § 327f S. 2; FamFG § 63; SpruchG § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 33 O 72/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 14.12.2016 wird der Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 14.10.2016 - 33 O 72/10 (AktE) - in Verbindung mit dem Beschluss vom 5.09.2017 unter Zurückweisung der Beschwerden des Antragstellers zu 92) und der Antragstellerin zu 93) vom 29.11.2016, der Antragstellerinnen zu 79), 82) und 90) und des Antragstellers zu 80) vom 15.12.2016 sowie der Antragstellerin zu 37) und des Antragstellers zu 38) vom 22.12.2016 teilweise wie folgt abgeändert:

Die Anträge auf gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung werden zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für beide Instanzen wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller sind ehemalige Aktionäre der F. Versicherungsgruppe AG ("F."), deren Aktien durch am 5.07.2010 in das Handelsregister eingetragenen Beschluss der Hauptversammlung vom 12.05.2010 auf die Antragsgegnerin gegen eine Barabfindung übertragen wurden. Die Antragsteller halten die im Übertragungsbeschluss festgelegte Barabfindung für unzureichend und begehren die gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Barabfindung.

Die F. ist die Obergesellschaft der F. Versicherungsgruppe und nimmt vor allem die Funktion einer strategischen Management-Holding wahr. Über ihre in- und ausländischen Konzern- und Beteiligungsgesellschaften bietet sie Versicherungen und Dienstleistungen im In- und Ausland an, die in die Geschäftsfelder Leben Deutschland, Gesundheit, Komposit Deutschland, Direktversicherung, Reiseversicherung und "International Operations" eingeteilt sind. Im privaten Krankenversicherungsmarkt (ohne Direktversicherung) ist sie Marktführer mit einem Marktanteil von 14,6 %. Im Geschäftsjahr 2008 erwarb sie Anteile an Gesellschaften in Südkorea und Indien und trat in den asiatischen Markt ein. Nach dem im November 2009 beschlossenen Projekt "Neue F." wurde der Markenauftritt im Bereich der Lebens- und Schaden-/Unfallversicherungen sowie Kranken- und Rechtsschutzversicherungen überarbeitet und die Sachversicherungen (...) zu einer Gesellschaft unter der Marke F. zusammengeführt.

Das Grundkapital betrug 196.279.504,20 EUR und war eingeteilt in 75.492.117 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von 2,60 EUR je Stückaktie. Die Aktien waren zum Handel im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse (General Standard), der Börse Düsseldorf und im elektronischen XETRA-Handel zugelassen, zudem wurden sie im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Hannover, München, Hamburg und Stuttgart gehandelt. Hauptaktionärin war die Antragsgegnerin, die unmittelbar und mittelbar insgesamt 75.225.052 Stückaktien - entsprechend einer Beteiligung von rd. 99,69 % - hielt. Die restlichen ca. 0,31 % des Grundkapitals (267.065 Stückaktien) befanden sich im Streubesitz.

Mit Schreiben vom 25.11.2009 forderte die Antragsgegnerin den Vorstand der F. auf, die Aktien der Minderheitsaktionäre durch Beschluss der Hauptversammlung gegen Gewährung einer Barabfindung auf sie - die Antragsgegnerin - zu übertragen (sog. Squeeze-out); mit weiterem Schreiben vom 2.03.2010 gab sie die von ihr mit 97,72 EUR je Stückaktie festgelegte Barabfindung bekannt. Dem stimmte die Hauptversammlung mit Beschluss vom 12.05.2010 zu.

Der mit 97,72 EUR je Stückaktie festgelegten Barabfindung liegt eine seitens der X. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ("X.") erstattete Unternehmensbewertung vom 1.03.2010 zugrunde. Darin wird die Barabfindung anhand des - als Wertuntergrenze herangezogenen - Drei-Monats-Durchschnittskurses vor dem förmlichen Übernahmeverlangen der Antragsgegnerin (25.08.2009 bis 24.11.2009) in Höhe von 97,72 EUR je Aktie bestimmt.

Den anhand des Ertragswertverfahrens auf der Basis des Bewertungsstandards IDW S1 2008 ermittelten Unternehmenswert hat die Bewertungsgutachterin mit 6.993,0 Mio. EUR ermittelt, woraus sich ein Wert i.H.v. lediglich 92,63 ...

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