Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 4a O 172/15) |
Tenor
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an den für die Entscheidung über die Berufung der Beklagten zuständigen 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf.
Gründe
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten und über die Anschlussberufung der Klägerin sachlich nicht zuständig, weil es sich um ein in die ausschließliche Zuständigkeit der Kartellgerichte fallendes Berufungsverfahren gem. §§ 91, 87 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) handelt (nachstehend unter A.). Auf den Hilfsantrag der Beklagten ist der gesamte Berufungsrechtsstreit in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an den zur Entscheidung über das Rechtsmittel in der vorliegenden Kartellzivilsache zuständigen 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu verweisen (nachstehend unter B.).
A. Gemäß § 91 GWB entscheidet der Kartellsenat u.a. über die Berufung gegen Endurteile in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten i.S.v. § 87 S. 1 GWB. Nach § 87 S. 2 GWB gilt § 87 S. 1 GWB u.a. dann, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung, die nach dem GWB zu treffen ist, oder von der Anwendbarkeit des Art. 101 oder des Art. 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) abhängt. Die Zuständigkeit der Kartellgerichte geht ihrem Sinn und Zweck nach sämtlichen anderen Zuständigkeitsregelungen vor, selbst wenn sie ihrerseits Sonderzuständigkeiten (wie z.B. § 143 Abs. 1 PatG) betreffen (BGHZ 114, 218, 220 ff; Dicks, in: Loewenheim u.a., Kartellrecht, 3. A., 2016, § 87 GWB Rn. 23).
Sämtliche Voraussetzungen der §§ 91 S. 2, 87 S. 2 GWB sind erfüllt.
I. Da die Klägerin die Beklagten wegen diverser Verstöße gegen die Ziffer 2.3 des "A" (nachfolgend "A", Anlage rop 2, deutsche Übersetzung in Anlage rop 2a) auf Auskunft / Rechnungslegung (§§ 242, 259 BGB) sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht aus § 280 Abs. 1 BGB in Anspruch nimmt, handelt es sich um eine vor einem ordentlichen Gericht anhängige bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit i.S.v. § 87 GWB.
II. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt - zumindest teilweise - von der zwingenden Klärung einer sog. kartellrechtlichen Vorfrage i.S.v. § 87 S. 2 GWB ab.
1. Eine geradezu "klassische" kartellrechtliche Vorfrage liegt in der - auch hier gegebenen - Konstellation vor, dass gegenüber einem vertraglichen (Sekundär-)Anspruch eingewandt wird, der betreffende Vertrag sei wegen eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Bestimmungen (Art. 101 Abs. 2 AEUV bzw. § 134 BGB i.V.m. § 1 ff. GWB) nichtig (vgl. Dicks, a.a.O., § 87 GWB Rn. 17 m.w.N.).
Wie sich aus dem Wortlaut des § 87 S. 2 GWB ("abhängt") allerdings ergibt, muss die kartellrechtliche Vorfrage auch entscheidungserheblich in dem Sinne sein, dass der Rechtsstreit ohne deren Beantwortung nicht entschieden werden kann (statt aller: Dicks, a.a.O., § 87 GWB Rn. 19). Dies bedeutet - negativ definiert -, dass der Kartellsenat dann nicht zuständig ist, wenn der Rechtsstreit auch ohne die Klärung der kartellrechtlichen Vorfrage bereits entscheidungsreif ist (vgl. Dicks, a.a.O., § 87 GWB Rn. 19). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 87 S. 2 GWB ("...oder teilweise... abhängt.") reicht es für die Begründung der Zuständigkeit des Kartellsenats schon aus, wenn der Mangel der Entscheidungsreife ohne Klärung der kartellrechtlichen Vorfrage zumindest einen Teil des Rechtsstreits betrifft (s. zur in § 88 GWB geregelten kumulativen Geltendmachung von kartellrechtlichen und nicht-kartellrechtlichen Streitgegenständen näher unten).
2. Die Anwendung vorstehender Grundsätze auf den Einzelfall führt zu dem Ergebnis, dass bei der für die Beurteilung der Vorgreiflichkeit gebotenen Ausblendung des Kartellrechtseinwandes die Klage weder (insgesamt) unzulässig noch (insgesamt) unbegründet ist, so dass es dem Rechtsstreit ohne Beantwortung der kartellrechtlichen Vorfrage an der Entscheidungsreife mangelt. Jedenfalls die Entscheidung über die Klageanträge I. und II. erfordert nämlich zwingend eine rechtliche Beurteilung der Erheblichkeit des Kartellrechtseinwandes.
a) Einer ganzen Reihe der von den Beklagten jenseits der kartellrechtlichen Vorfrage vorgebrachten Rügen und Einwendungen fehlt es schon von vornherein an der erforderlichen Eignung, die Zulässigkeit und / oder Begründetheit der Klage in ihrer Gesamtheit in Zweifel zu ziehen.
Dies gilt zunächst für die Rüge, die erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten Klageerweiterungen seien unzulässig. Denn davon bleibt die (unten näher erläuterte) zwingende Relevanz der kartellrechtlichen Vorfrage für die ursprünglichen (vom Landgericht ganz überwiegend zuerkannten) Klageanträge (jedenfalls für jene nach Ziffern I. und II.) unberührt.
Entsprechendes gilt mit Blick auf die Rüge, einzelnen (abgrenzbaren) Teilen der Klageanträge mangele es an der Bestimmtheit i.S.v. § 253...