Leitsatz (amtlich)
1. Der Verurteilte kann seine Einwilligung in die Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung bis zur Rechtskraft der von der Strafvollstreckungskammer nach § 57 Abs. 1 StGB getroffenen Entscheidung wirksam widerrufen.
2. Der Verurteilte ist bei Widerruf der Einwilligung durch die Aussetzungsentscheidung beschwert, weil er gegen seinen Willen aus der Strafhaft entlassen und der Last einer Bewährungszeit ausgesetzt wird.
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt. Jedoch trägt der Beschwerdeführer seine in dem Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen selbst.
Gründe
I.
Der Verurteilte verbüßt derzeit die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr undsieben Monaten aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Kleve vom 20. Februar 2013. Hiervon werden am 19. Dezember 2013 zwei Drittel verbüßt sein. Zuvor hatte der Verurteilte bereits zwei Drittel der durch Urteil des Amtsgerichts Geldern vom 7. Oktober 2009 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verbüßt.
Der Verurteilte hat am 4. September 2013 einen Antrag auf Aussetzung derbeiden Strafreste gestellt. Ferner hat er sich am 12. September 2013 mit einer bedingten Entlassung ausdrücklich einverstanden erklärt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve hat die Vollstreckung der beiden Strafreste durch Beschluss vom 18. November 2013 mit Wirkung zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt zur Bewährung ausgesetzt.
Hiergegen richtet sich die Eingabe des Verurteilten vom 27. November 2013, mit der er nunmehr mitgeteilt hat, dass er "mit einer vorzeitigen Entlassung nichteinverstanden" sei und "Endstrafe machen" möchte.
II.
Die Eingabe des Verurteilten ist gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerdegegen die nach § 57 Abs. 1 StGB getroffene Entscheidung über die Aussetzung der beiden Strafreste zu behandeln.
1.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässig. Sie steht gegen einen die Reststrafenaussetzung bewilligenden Beschluss auch dem Verurteilten zu, wenn er - wie hier - durch Widerruf der nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderlichen Einwilligung die Aufhebung der Aussetzungsentscheidung erreichen will (vgl. OLG Celle JR 1978, 337; KG BeckRS 2000, 15890; OLG Köln StraFo 2011, 415; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 454 Rdn. 44; KK-Appl, StPO, 7. Aufl., § 454 Rdn. 34). Fehlt nämlich die Einwilligung, ist der Verurteilte schon deshalb beschwert, weil er gegen seinen Willen aus der Strafhaft entlassen und der Last einer Bewährungszeit ausgesetzt wird (vgl. KG BeckRS 1999, 16146).
2.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, denn die Reststrafenaussetzung setzt gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB voraus, dass der Verurteilte einwilligt. Der Aufhebung der Aussetzungsentscheidung steht nicht entgegen, dass dieerforderliche Einwilligung zum Zeitpunkt ihres Erlasses vorgelegen hat. Denn die Einwilligung kann bis zur Rechtskraft der nach § 57 Abs. 1 StGB getroffenen Entscheidung wirksam widerrufen werden (vgl. OLG Koblenz MDR 1981, 425; OLG Düsseldorf [1. Strafsenat] MDR 1995, 304, KG a.a.O.; OLG Köln a.a.O.). Es handelt sich bei der Einwilligung nicht um eine tragende Prozesshandlung, sondern um eine Rechtsfolgenvoraussetzung, die in der alleinigen Disposition des Verurteilten steht (vgl. MünchKomm-Groß, StGB, 2. Aufl., § 57 Rdn. 13).
Mit seiner Erklärung vom 27. November 2013, er sei "mit einer vorzeitigen Entlassung nicht einverstanden" und möchte "Endstrafe machen", hat der Verurteilte die vorherige Einwilligung eindeutig widerrufen. Einer Begründung des Widerrufsbedurfte es nicht.
Durch den Widerruf der Einwilligung ist der angefochtenen Aussetzungsentscheidung die Grundlage entzogen, sie ist daher aufzuheben.
In der Sache ist über die Aufhebung hinaus keine "erforderliche Entscheidung" im Sinne des § 309 Abs. 2 StPO zu treffen. Der Senat teilt die Auffassung, dass es bei Fehlen der Einwilligung keiner förmlichen Entscheidung über die Nichtaussetzung bedarf (vgl. OLG Düsseldorf [3. Strafsenat] NStZ 1994, 454; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 311; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 57 Rdn. 19a). Das von Amts wegen geführte Prüfungsverfahren hat sich ebenso wie der ursprünglich gestellte Aussetzungsantrag des Verurteilten durch den Widerruf der Einwilligung erledigt.
Die Begleitanordnungen, welche die Strafvollstreckungskammer nach § 57 Abs. 3 i.V.m. §§ 56a, 56c, 56d StGB getroffen hat, sind aufgrund der Aufhebung der nach § 57 Abs. 1 StGB getroffenen Entscheidung gegenstandslos.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung. Jedoch hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 3 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse aufzuerlegen. Denn die sofortige Beschwerde hat allein aufgrund des erst im Beschwerdeverfahren erklärten Widerrufs der Einwilligung Erfolg.
Fundstellen