Leitsatz (amtlich)
›Der Betroffene, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, bleibt auch dann nicht genügend entschuldigt in der Hauptverhandlung aus, wenn er zwar zur angesetzten Terminsstunde erscheint, sich jedoch vor dem Aufruf der Sache entfernt, weil er wegen eingetretener Verzögerung nicht zuwarten will, obwohl ihm dies zuzumuten ist.‹
Gründe
Durch Bußgeldbescheid vom 16. Juli 1995 hat der Oberstadtdirektor in D. gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 300,-- DM festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 OWiG verworfen. Die gegen das Verwerfungsurteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat keinen Erfolg.
I.
1.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war der Betroffene in dem Termin zur Hauptverhandlung - 27. September 1996, 12.30 Uhr - zwar erschienen; er hatte sich jedoch um 13.00 Uhr unerlaubt - sein persönliches Erscheinen war angeordnet worden - entfernt, weil sein Verteidiger wegen eines Notartermins um 14.00 Uhr in K. den Gerichtsort verlassen hatte Das Amtsgericht hat die Abwesenheit des Betroffenen in der anschließend begonnenen Hauptverhandlung als nicht genügend entschuldigt angesehen, weil der Notartermin (des Verteidigers) keinen Entschuldigungsgrund darstelle; denn auch bei pünktlichem Beginn wäre die Hauptverhandlung nicht um 13.00 Uhr beendet gewesen, so daß der Notartermin auch in diesem Fall nicht hätte wahrgenommen werden können.
2.
Zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde trägt der Betroffene u.a. vor, er habe sich mit seinem Verteidiger von der Gerichtsstelle entfernt, nachdem diesem von der noch eine zuvor aufgerufene andere Sache verhandelnden Richterin um 13.10 Uhr mitgeteilt worden sei, es könne noch nicht abgesehen werden, wann die Verhandlung seiner Sache beginne; auf die Erklärung seines Verteidigers, er habe um 14.00 Uhr einen Termin in K. und der Betroffene selbst habe so terminiert, "daß er spätestens um 14.00 Uhr in seiner Steuerberaterpraxis zurückerwartet werde bzw. dann auch noch auswärtige Termine wahrzunehmen habe", habe die Richterin zu verstehen gegeben, daß sie diese Umstände nicht berücksichtigen wolle und der Betroffene und sein Verfahrensbevollmächtigter sich zu gedulden hätten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Der Betroffene hat eine hinreichend ausgeführte Verfahrensrüge erhoben.
a) Hat das Amtsgericht Umstände als nicht genügende Entschuldigung gewürdigt, so setzt die Überprüfung dieser Wertung durch das Rechtsbeschwerdegericht die Erhebung einer den Vorschriften der § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus. Diese ist unter Darlegung entsprechender Tatsachen so vollständig zu begründen, daß das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Beschwerderechtfertigung prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt. Ergibt sich bereits aus dem Verwerfungsurteil, daß der Betroffene Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, so kann sich die Rechtsbeschwerde allerdings darauf beschränken, geltend zu machen, das Amtsgericht habe das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt ansehen dürfen. In einem solchen Fall unterliegen die Gründe des angefochtenen Urteils einer rechtlichen Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. August 1994 in VRS 88, 63 sowie vom 14. Dezember 1994 in VRS 88, 462 = ZfS 1995, 155).
b) Im vorliegenden Fall beschränkt sich das Beschwerdevorbringen nicht darauf, die Urteilsgründe für die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 Satz 1 OWiG als fehlerhaft zu rügen. Der Betroffene macht vielmehr neue, von den Gründen des Urteils zum Teil abweichende Tatsachen geltend. Insoweit legt die Rechtsbeschwerde im Zusammenhang noch hinreichend ausführlich dar, daß das Amtsgericht aufgrund der ihm bekannten, mit der Rechtsbeschwerdebegründung im einzelnen ausgeführten Umstände das Entfernen des Betroffenen von der Gerichtsstelle und sein damit verbundenes Ausbleiben in der Hauptverhandlung als genügend entschuldigt hätte ansehen müssen.
2.
Die Verfahrensrüge - und damit die Rechtsbeschwerde - ist jedoch unbegründet.
Der Senat kann es dahinstehen lassen, ob die mit der Verfahrensrüge geltend gemachten, durch eine Aktennotiz des Verteidigers gestützten Tatsachen insbesondere zum zeitlichen Geschehensablauf zutreffen. Selbst wenn die dort aufgeführten Umstände zugrunde gelegt werden, wäre der Betroffene im Zeitpunkt des Aufrufs der Sache, die laut Sitzungsprotokoll um 13.50 Uhr des Terminstages stattfand, nicht als genügend entschuldigt im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 1 OWiG anzusehen.
a) Eine genügende Entschuldigung liegt vor, wenn dem Betroffenen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der Sache das Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zuzumuten ist, so daß ihm billigerweise wegen seines Ausbleibens kein Vorwurf gemacht werden kann (vgl. Sena...