Verfahrensgang
AG Krefeld (Aktenzeichen 123 VI 255/10) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Wert: 150.000 €
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1) ist die zweite Ehefrau des Erblassers. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Kinder des Erblassers und seiner am 23.12.1977 verstorbenen ersten Ehefrau.
Unter dem 20.10.1968 errichteten der Erblasser und seine erste Ehefrau ein privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und im Übrigen anordneten:
"Auf den Tod des Letztlebenden von uns setzen wir unsere gemeinschaftlichen Kinder zu Erben ein."
Nach dem Tod der ersten Ehefrau heiratete der Erblasser erneut.
Am 17.03.1981 errichtete er eine letztwillige Verfügung, in der er der Beteiligten zu 1) seinen gesamten Nachlass vermachte und bestimmte, dass seine beiden Kinder nach der Tod der Beteiligten zu 1) vom dann noch vorhandenen Vermögen nach den gesetzlichen Bestimmungen je zur Hälfte erben sollten.
Unter der 12.03.1991 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1) ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Erben bestimmten.
Am 25.11.2010 hat die Beteiligte zu 1) - vertreten durch ihren Betreuer - die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag durch Beschluss vom 06.12.2010 zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde vom 06.02.2011 hat das Nachlassgericht durch Beschluss vom 28.01.2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zu Recht zurückgewiesen.
Der Erblasser ist auf Grund des mit seiner ersten Ehefrau errichteten gemeinschaftlichen Testaments vom 20.10.1968 von den Beteiligten zu 2) und 3) je zu 1/2 beerbt worden. Die weiteren letztwilligen Verfügungen vom 17.03.19981 und vom 12.03.1991 sind auf Grund der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 1968, §§ 2270 Abs. 2, 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB, unwirksam.
Die Einsetzung der Beteiligten zu 2) und 3) in dem gemeinschaftlichen Testament als Schlusserben ist wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 und 2 BGB.
Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der einzelnen Verfügungen, so muss die Wechselbezüglichkeit zunächst durch Auslegung nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ermittelt werden (Palandt-, BGB, § 2270, Rdnr. 4). Das gilt auch dann, wenn das Testament in der Form eines sogenannten Berliner Testaments (§ 2269 Abs. 1 BGB) abgefasst ist OLG Hamm, FamRZ 2002, 777 ff.).
Ergeben sich, wie vorliegend, weder aus dem gemeinschaftlichen Testament noch sonst irgendwelche Hinweise darauf, was die Erblasser in Bezug auf die Wechselbezüglichkeit gewollt haben, greift die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB (Palandt/, BGB, § 2270, Rdnr. 7, OLG Hamm, a.a.O.).
Danach ist die Wechselbezüglichkeit "im Zweifel" anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten vom anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist.
Die Voraussetzungen des § 2270 Abs. 2 BGB liegen vor.
Haben die Ehegatten, wie häufig, einander und für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten die gemeinsamen Kinder zu Erben einsetzen, ist nach § 2270 Abs. 2 BGB die Erbeinsetzung des Mannes zugunsten der Ehefrau wechselbezüglich sowohl mit der Erbeinsetzung der Frau zugunsten des Ehemannes als auch mit der Erbeinsetzung des Ehegatten zugunsten der Kinder (BGH NJW 2002, 1126; OLG Hamm, a.a.O.; BayObLG FamRZ 1988, 879, 880; zuletzt OLG München, FGPrax 2010, 299; Münch/Komm, BGB, 10. Aufl., § 2270, Rdnr. 12).
Die erforderliche innere Abhängigkeit zwischen der gegenseitigen Einsetzung der Eheleute zu Alleinerben und der Einsetzung der Kinder zu Erben des Längstlebenden ergibt sich in derartigen Fällen daraus, dass in einer intakten Familie die Vorstellung herrschen dürfte, dass das im Zeitpunkt des Todes des längstlebenden Ehepartners vorhandene Vermögen von diesem auf die gemeinsamen Kinder übergehen soll. Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn die beiderseitigen Verfügungen zugunsten der Kinder im Sinne einer Wechselbezüglichkeit miteinander verbunden sind (OLG Hamm, a.a.O.).
Der Erblasser war daher nach § 2271 Abs. 2 BGB an die Schlusserbeneinsetzung der Kinder gebunden und konnte durch die Testamente vom 17.03.1981 und 12.03.1991 seine Verfügung nicht widerrufen, es sei denn, die Ehegatten hätten sich den Widerruf vorbehalten.
Für einen derartigen Vorbehalt bestehen indes keine Anhaltspunkte. Insbesondere kann die nachträgliche Errichtung eines einseitigen, den wechselbezüglichen Verfügungen widersprechenden Testaments durch eine...