Verfahrensgang
LG Duisburg (Entscheidung vom 14.02.2011) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der
3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 14. Februar 2011 aufgehoben.
Das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ist gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII ausgesetzt, bis eine Entscheidung nach § 108 Abs. 1 SGB VII ergangen ist.
Gründe
Auf das zulässige Rechtsmittel der Klägerin hin unterliegt die angefochtene Entscheidung der Aufhebung, denn die Sache ist im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren noch nicht entscheidungsreif. Das Prüfungsverfahren ist auszusetzen (§ 108 Abs. 2 SGB VII), bis eine unanfechtbare Entscheidung des Unfallversicherungsträgers und gegebenenfalls auch der Sozialgerichtsbarkeit darüber vorliegt, ob ein Versicherungsfall im Sinne der §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorliegt (§ 108 Abs. 1 SGB VII). Einer Fristbestimmung zur Einleitung eines entsprechenden Verfahrens gemäß § 108 Abs. 2 Satz 2 SGB VII bedarf es nicht, weil die Klägerin zwischenzeitlich einen Überprüfungsantrag bei der zuständigen Unfallkasse gestellt hat.
Die Parteien streiten darüber, ob die Durchsetzung der auf §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 VVG gestützten Schadensersatzforderungen der Klägerin an der Haftungsprivilegierung des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII scheitert. Dies hängt davon ab, ob ein Versicherungsfall nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 SGB VII gegeben ist. Dazu zählen Arbeitsunfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz u.a. nach § 2 SGB VII begründenden Tätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Zivilgerichte sind aber durch § 108 SGB VII hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall einschlägig ist oder nicht, in welchem Umfang gegebenenfalls Leistung zu erbringen ist und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist, an unanfechtbare Entscheidungen der Sozialbehörden und Sozialgerichte gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob sie diese Entscheidung für richtig halten (BGH ZfS 2009, 678 mit Hinweis auf BGH NJW-RR 2008, 1239).
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Beklagte zu 1. bei dem Versuch der Ingangsetzung des Motors des Pkw des Beklagten zu 2. mit dem Ziel, dem defekten klägerischen Fahrzeug Starthilfe zu geben, als Pannenhelferin wie eine Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für die Klägerin als "Unternehmerin" tätig geworden ist. Bei einer Pannenhilfe steht dem Helfenden nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII das Haftungsprivileg gegenüber dem verletzten, als solchen nicht versicherten, Halter eines privaten Pkw zu, der insoweit "Unternehmer" ist (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rdnr. 530). Eine eigenständige Prüfung, ob eine beklagte Partei zwar grundsätzlich zivilrechtlich haftet, aber nach § 104 Abs. 1 SGB VII haftungsprivilegiert ist, ist dem Zivilgericht vor Abschluss eines sozialrechtlichen Verfahrens grundsätzlich verwehrt (BGH ZfS 2008, 500, 501 mit Hinweis auf BGH VersR 2008, 255, 256). Nichts anderes gilt für hier möglicherweise einschlägige Privilegierung des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII.
Die Bindungswirkung nach § 108 Abs. 1 SGB VII erstreckt sich insbesondere auch auf die Frage, ob ein Unfallereignis aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VII entstanden ist (BGH ZfS 2008, 500 mit Hinweis auf BGHZ 166, 42, 44; Lauterbach/Dahm, Kommentar zum Sozialgesetzbuch VII, § 108, Rdnr. 8; Schmitt, Kommentar zum Sozialgesetzbuch VII, § 108, Rdnr. 6).
Der Pannenhelfer kann als "Wie-Beschäftigter" des hilfebedürftigen Dritten Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sein (Wellner, NJW-Spezial 2009, 402). Die Klägerin stellt dezidiert eine Eigenschaft der Beklagten zu 1. als "Wie-Beschäftigte" u.a. mit der Begründung in Abrede, die Beklagte zu 1. habe mit dem Ingangsetzen des Motors des Pkw des Beklagten zu 2. nur eine ganz geringfügige und kurzfristige Hilfeleistung erbringen wollen, ohne zuvor bei der Anlegung des Batterieüberbrückungskabels mitgewirkt zu haben. Wie die Tätigkeit der Beklagten zu 1. im Hinblick auf die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII rechtlich zu qualifizieren ist, muss aus den genannten Gründen einer Entscheidung gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII vorbehalten bleiben. Die Bindungswirkung nach Maßgabe dieser Vorschrift hat das Zivilgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH ZfS 2008, 500).
Als eine Hilfeleistende im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a) SGB VII (Hilfeleistung bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder erheblicher, gegenwärtiger Gesundheitsgefahr), für welche die Haftungsprivilegierungen der §§ 104 ff. SGB VII nicht gelten, ist die Beklagte zu 1. eindeutig nicht tätig geworden.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 3728172 |
VersR 2012, 188 |
ZfS 2012, 2... |