Leitsatz (amtlich)
Die Verfügung in einem handschriftlichen Testament "...Hiermit setzen wir uns im Todesfall gegenseitig als Alleinerben ein: ... Jeder von uns kann als Überlebender seinen letzten Willen ändern. ... Sollten wir gleichzeitig sterben oder einer von uns beiden hilflos oder handlungsunfähig werden, setzen wir als Alleinerben für Alles Frau E, ... und ihren Ehemann F, ... ein. ... Dazu folgende Verfügung: jeder für sich oder beide verpflichten sich, für jeden von uns in jeder Hinsicht wie Wohnung, Essen, Wäsche, leibliche Betreuung u.s.w. bis zu unserem Tode kostenlos auf das Beste zu sorgen.", kann - obwohl die Erbeinsetzung für den Fall des "gleichzeitigen Versterbens" getroffen ist - als Schlusserbeneinsetzung auch dann ausgelegt werden, wenn zwischen dem Tod der Ehefrau und dem des Erblassers ein größerer zeitlicher Abstand (hier mehr als fünf Jahre) liegen und der länger lebende Erblasser vor seinem Tod weder hilflos noch handlungsunfähig war.
Dies setzt allerdings voraus, dass sich aufgrund besonderer Umstände (hier u.a. Erklärung des Erblassers im Verfahren der Erbscheinerteilung nach dem Tod seiner Ehefrau und zuvor auf der Rückseite des Testaments vermerkter aktueller Anschrift der dort bezeichneten Erben) feststellen lässt, dass die Testierenden den Begriff entgegen seinem Wortsinn dahin gehend verstanden haben und sich hierfür eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen findet (hier Andeutung in Gestalt der Pflegeerwartung unter Hinzutreten weiterer externer Anhaltspunkte).
Normenkette
BGB §§ 157, 2084
Verfahrensgang
AG Kleve (Aktenzeichen 17 VI 61/15) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 17. November 2015 - Az. 17 VI 61/15 - wird geändert:
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 vom 5. März 2015 - notarielle Urkunde UR-Nr. 151 für 2015 der Notarin A... in B... - wird zurückgewiesen.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, auf den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom 15. Januar 2015 - notarielle Urkunde UR-Nr. 48 für 2015 des Notars Dr. C... in D.... - den beantragten Erbschein zu erteilen.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die für die Erteilung des von ihnen beantragten Erbscheins anfallenden Gerichtskosten zu tragen. Die übrigen Gerichtskosten des Verfahrens - beide Rechtszüge - werden den Beteiligten zu 1 und 2 einerseits und der Beteiligten zu 3 andererseits zu je 1/2 auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden für keinen Rechtszug erstattet.
Beschwerdewert: 210.000,00 EUR
Gründe
I. Der am 26. Nov. 2014 gestorbene Erblasser war verheiratet mit D..., geb. ..., die vorverstorben ist. Die Beteiligte zu 3 ist die Tochter des Erblassers aus erster Ehe. Die Beteiligte zu 1 ist mit dem Erblasser verwandt. Ihr Großvater und die Mutter des Erblassers waren Geschwister. Am 11. September 1996 errichteten die Eheleute ein handschriftliches Testament, in dem es heißt:
"...Hiermit setzen wir uns im Todesfall gegenseitig als Alleinerben ein: ... Jeder von uns kann als Überlebender seinen letzten Willen ändern. ... Sollten wir gleichzeitig sterben oder einer von uns beiden hilflos oder handlungsunfähig werden, setzen wir als Alleinerben für Alles Frau E, ... und ihren Ehemann F, ... ein. ... Dazu folgende Verfügung: jeder für sich oder beide verpflichten sich, für jeden von uns in jeder Hinsicht wie Wohnung, Essen, Wäsche, leibliche Betreuung u.s.w. bis zu unserem Tode kostenlos auf das Beste zu sorgen."
Am 10. Juni 2009 (nach dem Tod seiner Ehefrau) fügte der Erblasser auf der Rückseite des Testaments die aktuelle Anschrift der Beteiligten zu 1 und 2 hinzu.
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 15. Januar 2015 haben die Beteiligten zu 1 und 2 einen Erbschein beantragt, der sie als Erben zu je 1/2 Anteil ausweist. Die Beteiligte zu 3 ist dem entgegengetreten und hat mit notariell beurkundeter Erklärung vom 5. März 2015 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt. Sie hat geltend gemacht, die Beteiligten zu 1 und 2 seien nicht zu Schlusserben eingesetzt worden. Vielmehr hätten sie nur dann Erben werden sollen, wenn beide Testierende gleichzeitig verstorben wären oder einer von ihnen hilflos oder handlungsunfähig geworden wäre. Beide Fälle seien jedoch nicht eingetreten. Zwischen dem Erblasser und den Beteiligten zu 1 und 2 habe kein enger Kontakt bestanden. Die Beteiligten zu 1 und 2 hätten weder den Erblasser noch dessen vorverstorbene Ehefrau gepflegt oder versorgt, zumal sie von der Pflegeerwartung der Testierenden erst nach dem Tod des Erblassers erfahren hätten.
Mit Beschluss vom 17. November 2015 hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 3 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Eheleute hätten sich gegenseitig als Alleinerben und für den Fall, dass ein Ehegatte hilflos oder handlungsunfähig würde, die Beteiligten zu 1 und 2 als Alleinerben eingesetzt mit der Verfügung, dass diese dann den Hilflos...