Leitsatz (amtlich)

MRK Art. 6 Abs. 1 Satz. 1; StPO §§ 337 Abs. 1, 344 Abs. 2 Satz 2; StGB § 223

1. Die Behauptung des Revisionsführers, das Verfahren sei nicht in der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gebotenen Weise beschleunigt worden, prüft das Revisionsgericht grundsätzlich nur auf eine den Erfordernissean des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge. Diese muß Angaben zur Dauer des bisherigen Verfahrens, insbesondere zu Art, Ausmaß und Ursache der Verzögerung enthalten, damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob diese von den Strafverfolgungsbehörden zu verantworten ist. Wird die behauptete Verfahrensverzögerung darauf gestützt, dass die zunächst zum Strafrichter erhobene Anklage zurückgenommen und anschließend - erneut - Anklage zum Schöffengericht erhoben worden ist, so muß dargelegt werden, warum diese Verfahrensweise fehlerhaft gewesen sei.

2. Auf die Sachrüge kann die revisionsgerichtliche Prüfung, ob das Beschleunigungsgebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzt worden ist, allenfalls dann erfolgen, wenn die Urteilsgründe ausreichende Angaben zum Verfahrensgang und zur Verfahrensdauer enthalten.

3. Die medizinisch nicht indizierte Verabreichung von bewußtseinstrübenden Substanzen erfüllt als Schädigung der Gesundheit den objektiven Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 StGB.

 

Tenor

Die Revision wird als unbegründet auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) verworfen, weil die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

 

Gründe

Der Senat teilt die in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 15. Mai 2000 vertretene Rechtsauffassung. Diese Stellungnahme lautet wie folgt:

I.

Die Rüge der Verletzung des Verfahrensrechts ist nicht näher ausgeführt und daher unbeachtlich (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nur auf Grund einer entsprechenden Verfahrensrüge zu prüfen (zu vgl. BGH Beschluß vom 28. August 1998 - 3 StR 142/98). Eine solche ist von dem Angeklagten nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben worden.

Zwar enthält die Revisionsrechtfertigung Angaben zur Dauer des Ermittlungsverfahrens, diese sind aber zu Art, Ausmaß und Ursache der Verzögerung nicht hinreichend, um dem Revisionsgericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob diese von den Strafverfolgungsbehörden in einer vorwerfbaren Weise zu verantworten ist. Denn es wird nicht mitgeteilt, warum die Rücknahme der usprünglich zum Strafrichter erhobenen Anklage mit anschließender Anklageerhebung zum Schöffengericht aufgrund der Schutzschrift der Verteidigung fehlerhaft gewesen sein soll.

Unabhängig von dem nicht hinreichenden Vortrag läge allein darin noch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 MRK begründet. Nach dieser Vorschrift hat ein Angeklagter das Recht auf eine Behandlung seiner Sache innerhalb angemessener Frist; diese beginnt, wenn der Beschuldigte von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wird, und endet mit dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens. Für die Angemessenheit ist dabei auf die gesamte Dauer von Beginn bis zum Ende der Frist abzustellen und es sind Schwere und Art des Tatvorwurfs, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens, Art und Weise der Ermittlungen neben dem eigenen Verhalten des Beschuldigten zu berücksichtigen (zu vgl. BVerfG NJW 1992, 2472).

Eine gewisse Untätigkeit oder fehlerhafte Sachbehandlung während eines bestimmten Verfahrensabschnittes führt daher nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (zu vgl. BGH, Beschluß vom 4. Januar 1999 - 3 StR 597/98).

Zur Beurteilung dieser Frage wäre u. a. auch die Angabe des Zeitpunktes der Inkenntnissetzung des Beschuldigten erforderlich, der der Revisionsbegründung ebensowenig wie den Urteilsgründen zu entnehmen ist.

Diese enthalten überhaupt keine Angaben zum Verfahrensgang und zur Verfahrensdauer, so daß auf die Sachrüge eine Prüfung ebenfalls nicht erfolgen kann (zu vgl. BGH, a. a. O. ).

Da insgesamt zwischen der Tat und der Entscheidung des Berufungsgerichts weniger als drei Jahre verstrichen sind und die Dauer des Verfahrens in der ersten Instanz auch auf das Verhalten des Angeklagten und seiner Verteidigung zurückgeht, ist eine Unangemessenheit der Frist nicht zu besorgen. Durch die obergerichtliche Rechtsprechung wird ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK erst bei einer erheblich längeren Verfahrensdauer angenommen (zu vgl. BVerfG, Beschluß vom 19. April 1993, 2 BvR 1487/90 (StV 1993, 352); BGH, Beschlüsse vom 20. Januar 1987, 1 StR 687/86;vom 6. September 1988 - 1 StR 473/88;vom 26. Mai 1992, 1 StR 131/92 (StV 1992, 452);vom 21. Dezember 1998 - 3 StR 561/98).

II.

Die Sachrüge greift ebenfalls nicht durch. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils zur äußeren und inneren Tatseite tragenden Schuldspruch wegen Körperverletzung re...

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