Leitsatz (amtlich)

›1. Das ProViDa-System - auch Police-Pilot-System genannt - ist als standardisiertes Meßverfahren zur Geschwindigkeitsermittlung anerkannt. Zum Ausgleich systemimmanenter Meßungenauigkeiten reicht ein Toleranzabzug von 5 % der gemessenen Geschwindigkeit aus.

2. Das ProViDa- System ist zur kombinierten Geschwindigkeits- und Abstandsmessung besonders geeignet. Da die Abstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen - anders als die Geschwindigkeit - nicht elektronisch gemessen, sondern unter Auswertung des Videobandes errechnet werden, genügt jedoch die bloße Bezeichnung des angewandten Verfahrens im Urteil nicht. Die Auswertung und Berechnung müssen vielmehr in den Urteilsgründen verständlich und widerspruchsfrei dargelegt werden, um eine rechtsbeschwerdegerichtliche Überprüfung zu ermöglichen.‹

 

Gründe

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 400,-- DM und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist zulässig und (vorläufig) begründet.

1. a) Das Amtsgericht hat zum Tathergang folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene befuhr am 1. Juli 1998 mit seinem PKW Ford, amtliches Kennzeichen die Bundesautobahn A 3. In der Höhe von Langenfeld hielt er den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht ein, indem er zunächst bei einer Geschwindigkeit von mindestens 112 km/h bis auf zehn Meter auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffuhr und alsdann bei einer Geschwindigkeit von mindestens 154 km/h diesen Vorgang mit einem Abstand von vierzehn Metern wiederholte."

b ) In der Beweiswürdigung führt das Amtsgericht zur Ermittlung der festgestellten Abstände und Geschwindigkeiten aus:

"Auch in der Sache selbst ist der Betroffene überführt. Dies folgt zunächst aus den Bekundungen der Zeugen R und F, insbesondere des Erstgenannten. Der Zeuge hat, gestützt auf eine vorher durchgeführte Sichtung des Videobandes, die Berechnungen auf Blatt 4 der, Akten erläutert. Danach ergibt sich allenfalls für den ersten Fall eine Abweichung in bezug auf die gefahrene Geschwindigkeit, die das Gericht zugunsten des Betroffenen mit 112 km/h angenommen hat. Anhand der naturwissenschaftlich feststehenden Formel, woraus sich der Abstand aus dem Produkt von Geschwindigkeit und Zeit, dividiert durch 3,6 ergibt, läßt sich ein Abstand von 9,95 Metern feststellen. Im zweiten Fall errechnet sich ein Abstand von 13,69 Metern.

Daß die Werte, die der vorgenannten Tabelle innewohnen, korrekt ermittelt sind, hat das Gericht selbst anhand der Videoaufzeichnungen überprüft und sich durch den Zeugen R erläutern lassen. Im Wege der Einzelbildschaltung sind die Fixpunkte, die die Beamten zur Ermittlung der gefahrenen Strecke und der Bestimmung der Abstände herangezogen haben, eindeutig erkennbar und der Hinterachse des vorausfahrenden Fahrzeugs sowie der Vorderachse des Wagens des Betroffenen sicher zuzuordnen.

Darüber hinaus ist das Videoband durch einen anerkannten Sachverständigen ausgewertet worden. Auch das Gutachten, welches in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen worden ist, stellt die absolute Korrektheit der Aufzeichnung und ihrer Auswertung fest.

Damit ist von den bereits erwähnten Abständen auszugehen, wobei diese sogar noch zugunsten des Betroffenen höher angenommen sind, als dies tatsächlich der Fall war. Denn zugrunde gelegt sind die Abstände zwischen der Hinterachse des Vorderfahrzeugs und der Vorderachse des Fahrzeugs des Betroffenen. Unberücksichtigt geblieben sind die Fahrzeugaufbauten hinter der Hinterachse bzw. vor der Vorderachse, so dass der Abstand von Stoßstange zu Stoßstange deutlich geringer gewesen sein muss.

Demgemäß ist davon auszugehen, daß der Betroffene jeweils weniger als 2/10 des halben Tachometerabstands eingehalten hat. Dieser Zweizehntelwert beträgt im ersten Fall 112: 2 x 0,2 = 11,2 Meter, im zweiten Fall 154: 2 x 0,2 15 Meter."

c) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Verurteilung wegen fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, 24 StVG zu tragen.

aa) Das Urteil muß grundsätzlich feststellen, auf welcher tatsächlichen Grundlage die Geschwindigkeitsfeststellung und die Abstandsmessung beruhen. Dazu gehören insbesondere Angaben darüber, ob die Messungen durch elektronische Aufzeichnungen oder durch Ablesen, durch stationäre Geräte oder aus einem fahrenden Fahrzeug erfolgten, wie lang ggf. die Verfolgungsstrecke und der Abstand des Polizeifahrzeuges zu dem verfolgten Fahrzeug waren, auf welche Fahrstrecke sich die Abstandsunterschreitung erstreckte und welcher Toleranzabzug bei der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung vorgenommen worden ist.

bb) Solche Feststellungen hat das Amtsgericht nicht getroffen. Seinen Ausführungen läßt sich nicht entnehmen, ob und ggf. in welchem Abstand und auf welche Strecke das Polizeifahrzeug dem Fahrzeug des Betroffenen gefolgt ist, in welcher Weise die Geschwindigke...

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