Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Verbindung eines Herausgabeantrags mit der Verurteilung zum Schadensersatz nach fruchtlosem Ablauf einer Frist (§§ 255, 259 ZPO) ist wegen der wirtschaftlichen Identität beider Ansprüche nur der Herausgabeanspruch zu bewerten.
2. Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefs bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers an der Herausgabe des Briefes und ist nach freiem Ermessen zu schätzen.
Normenkette
ZPO §§ 3, 255, 259
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 22.12.2010; Aktenzeichen 10 O 403/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den den Streitwert festsetzenden Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 22.12.2010 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Die Beschwerde ist gem. §§ 68 Abs. 1 GKG, 567 Abs. 1 und 2, 569 ZPO, 32 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Denn ihre Beschwerde im Schriftsatz vom 5.1.2011 versteht der Senat in der Weise, dass sie diese aus eigenem Recht gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG eingelegt hat. Auch ist die Wertgrenze gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG überschritten, da die Gebührendifferenz der abzurechnenden Gebühren zwischen dem festgesetzten und beantragten Wert 200 EUR übersteigt.
Da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine Entscheidung der Kammer handelt, hat das Beschwerdegericht in der gem. § 122 Abs. 1 GVG vorgeschriebenen Besetzung als Senatskollegium zu entscheiden.
II. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Das LG hat den Streitwert im Ergebnis zutreffend auf 2.800 EUR festgesetzt.
1. Das LG hat zu Recht bei der Bemessung des Streitwerts allein auf den geltend gemachten Herausgabeanspruch abgestellt. Denn bei der Verbindung eines Herausgabeantrags mit der Verurteilung zum Schadensersatz nach fruchtlosem Ablauf einer Frist (§§ 255, 259 ZPO) ist wegen der wirtschaftlichen Identität beider Ansprüche nur der Herausgabeanspruch zu bewerten (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rz. 16 "Schadensersatz" und § 255 Rz. 6). Dies wird auch mit der Beschwerde nicht angegriffen.
2. Der Streitwert einer Klage, die auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefes gerichtet ist, bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers an der Herausgabe des Briefes (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1999, 891; OLG Saarbrücken JurBüro 1990, 1661; Schneider, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rz. 2776; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rz. 16 "Herausgabeklagen"). Dessen Wert ist nach § 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen zu schätzen. Dabei ist maßgebend, ob durch die Zurückhaltung des Briefes eine erhebliche Gefährdung der Vermögensinteressen des Klägers eingetreten ist (Schneider, a.a.O., Rz. 2779 u. 2785).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der vom LG festgesetzte Streitwert von 2.800 EUR, der 34 % des kalkulierten Fahrzeugrestwerts von 8.158,17 EURentspricht, angemessen. Soweit die Beschwerdeführerin sich auf eine Entscheidung des LG Augsburg (B. v. 3.11.2000, 10 T 4495 und www.justiz-augsburg.de) beruft, nach der in der Regel der Streitwert für die Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefes die Hälfte des Zeitwerts des Fahrzeugs betragen soll, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf MDR 1999, 891 (892); OLG Saarbrücken JurBüro 1990, 1661; OLG Nürnberg MDR 1969, 1020), der sich der Senat anschließt, ist ein Streitwert von der Hälfte des Fahrzeugwertes nur bei Vorliegen einer besonderen Beeinträchtigung der Interessen des Klägers anzunehmen. Eine solche kann beispielsweise gegeben sein, wenn das Fahrzeug weiterveräußert werden soll. Zwar hat die Klägerin entgegen der Darstellung im Nichtabhilfebeschluss des LG vom 27.1.2011 angegeben, dass sie das Fahrzeug bereits seit Januar 2009 verkaufen wollte und zuletzt im Mai 2009 zwei Kaufinteressenten gehabt habe. Der pauschale Vortrag, der Verkauf sei daran gescheitert, dass der Fahrzeugbrief zu diesem Zeitpunkt nicht verfügbar gewesen sei, ist für den Senat aber nicht nachvollziehbar. Denn dieses ist auch bei dem Verkauf von finanzierten Fahrzeugen, bei denen sich der Fahrzeugbrief im Besitz der finanzierenden Bank befindet, die Regel. Eine besondere Vermögensgefährdung scheidet zudem deswegen aus, weil sich die Beklagte nicht des Eigentums an dem Fahrzeug berühmt, sondern lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB wegen einer geringfügigen Forderung i.H.v. 380,05 EUR geltend gemacht hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint der vom LG festgesetzte Streitwert angemessen.
III. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 2711180 |
AGS 2012, 190 |