Verfahrensgang

Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln (Entscheidung vom 22.02.2008; Aktenzeichen VK VOF 29/2007)

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 22. Februar 2008 (VK VOF 29/2007) wird bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, ein regional tätiges Energieversorgungsunternehmen, führt aus Anlass von Neu- und Umbauvorhaben bei Verwaltungs- und Sozialgebäuden nach einem Teilnahmewettbewerb ein Verhandlungsverfahren zur Vergabe von Ingenieurleistungen bei der technischen Gebäudeausrüstung durch. Die Antragstellerin wurde zur Abgabe eines Angebots zugelassen. Sie rügte eine unklare Leistungsbeschreibung, der HOAI widersprechende Vergütungsvorgaben sowie unzulässige Zuschlagskriterien und im Nachprüfungsverfahren darüber hinaus das Unterbleiben einer Bekanntgabe der nachträglich aufgestellten Bewertungsmatrix. Die Antragstellerin legte innerhalb der dafür festgelegten Frist kein Angebot vor, sondern reichte ein solches nach. Die Antragsgegnerin schloss das Angebot deswegen von der Bewertung aus.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Sie hat der Antragstellerin für nicht antragsbefugt gehalten, da sie ohne zureichenden Grund innerhalb der Angebotsfrist kein Angebot vorgelegt habe.

Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels zu verlängern. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze sowie auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

II. Der Eilantrag der Antragstellerin ist begründet.

1. Die sofortige Beschwerde hat bei der im Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB gebotenen vorläufigen Bewertung des Sach- und Streitstandes Aussicht auf Erfolg ( § 118 Abs. 2 S. 1 GWB).

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin unterliegt keinen Bedenken. Nach Lage der Dinge ist der Nachprüfungsantrag auch in der Sache begründet.

a) Hinsichtlich des materiellrechtlichen Überprüfungsmaßstabs ist, ohne dass der Senat in der Kürze der Zeit bereits Gelegenheit zu einer abschließenden Prüfung und Beurteilung hatte, der Entscheidung im Eilverfahren vorläufig (sowie möglicherweise auch abschließend) eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften der Sektorenrichtlinie 2004/17/EG in Verbindung mit den §§ 97 ff. GWB zugrundezulegen (so auch Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 16.1.2007 - Verg W 7/06, sowie Kulartz in Müller-Wrede, Kommentar zur VOF 3. Aufl., § 1 Rn. 5). In Fällen der vorliegenden Art - die Vergabeverordnung befiehlt bei freiberuflichen Leistungen im Sektorenbereich keine Anwendung der VOF - kann im Eilverfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB die genaue Beurteilungsgrundlage vorläufig offen bleiben, sofern dies, wie im Streitfall, auf die rechtliche Bewertung im Ergebnis jedenfalls keinen Einfluss hat.

b) Bei der zugrundezulegenden Rechtslage kann das Angebot der Antragstellerin vom 20.11.2007 wegen des formalen Mangels, nicht innerhalb der von der Antragsgegnerin festgelegten Frist zur Abgabe von Angeboten eingereicht worden zu sein, nicht wirksam von der Wertung ausgeschlossen werden. Dies scheidet aus folgenden Erwägungen aus:

Die Antragsgegnerin hat als Zuschlagskriterien eignungsbezogene Merkmale genannt, nämlich Unternehmenskennwerte und Fachkunde, was grundsätzlich nicht nur nach nationalem, sondern auch nach EG-Richtlinienrecht unstatthaft ist (vgl. EuGH, Urteil vom 24.1.2008 - C-532/06, Rn. 30). Das darüber hinaus festgelegte Zuschlagskriterium der Wirtschaftlichkeit ist außerdem inhaltlich völlig unbestimmt und intransparent. Es ist ungeeignet, eine dem Gleichbehandlungsgebot (und zugleich einer Vermeidung von Willkür) auch nur einigermaßen genügende Angebotswertung sicherzustellen.

Ferner hat die Antragsgegnerin gegen EG-Vergaberechtsvorschriften verstoßen, indem sie den Bietern eine nachträglich aufgestellte Bewertungsmatrix nebst Unterkriterien und Gewichtungskoeffizienten nicht offenbart hat. Unterkriterien und Gewichtungen sind den Bietern aus Sicht des nationalen und des europäischen Vergaberechts ohne Wenn und Aber rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist mitzuteilen, damit die Angebote darauf eingestellt werden können (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 36). Die diesbezüglichen Rechtsbestimmungen haben bieterschützenden Charakter.

c) Derzeit ist nicht zu verneinen, dass die genannten Vergaberechtsverstöße Einfluss auf die Vorbereitung sowie auf den Inhalt der Angebote gehabt haben und die Antragstellerin dadurch in Bieterrechten verletzt worden ist. In tatsächlicher Hinsicht Widersprechendes haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene im Eilverfahren nicht vorgetragen.

Das Aufstellen unzulässiger Zuschlagskriterien und die Nicht-Bekanntgabe in der Form einer Bewertungsmatrix nachträglich festgelegter Unterkriterien und Gewichtungskoeffiz...

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