Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland vom 6. Januar 2022 (VK 42/21-L) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin werden der Antragstellerin auferlegt.

3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 65.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 4. August 2021 die Beschaffung von mobilen Luftreinigungsgeräten für sämtliche Grundschulen in B. zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Der Beschlussfassung war die Erklärung der Landesschulministerin vom 28. Juni 2021 vorausgegangen, wonach in dem am 18. August 2021 beginnenden neuen Schuljahr der Präsenzunterricht vollumfänglich gewährleistet sein soll. Diese Erklärung hatte die Antragsgegnerin zum Anlass genommen, in Überlegungen einzutreten, ob das Lüften der Klassenräume zur Gewährleistung eines sicheren Präsenzunterrichts ausreichend sei. Zu diesem Zweck hatte sie sachverständigen Rat bei Prof. Dr. N., dem Inhaber des Lehrstuhls für Gebäude- und Klimatechnik der B., gesucht, der ihr nach einem ersten Gespräch am 19. Juli 2021 ab dem 21. Juli 2021 ein Konzept für die Ausstattung ihrer Grundschulen mit Luftreinigern erstellt hatte, das unter anderem zur Vermeidung von Zugluft und Gewährleistung einer Mindestwurfweite von fünf Metern eine Luftzufuhr über Kopf in einer Höhe von mindestens 2,1 Metern vorsah.

In Umsetzung des Ratsbeschlusses vom 4. August 2021 erstellte die Antragsgegnerin ein Leistungsverzeichnis und Vergabeunterlagen und hinterlegte diese am 6. August 2021 auf dem Vergabeportal, auf das sie zwei für geeignet beurteilten Firmen Zugriff gewährte. Innerhalb der Angebotsfrist bis zum 17. August 2021 gab lediglich die Beigeladene ein Angebot ab. Am 19. August 2021 schloss die Antragsgegnerin mit der Beigeladenen einen Vertrag über die Beschaffung von 280 Luftreinigern im Gesamtwert von .... Euro.

Die Antragstellerin erhielt Ende August 2021 Kenntnis von diesem Vertragsschluss. Auf ihre Nachfrage wurde ihr am 1. September 2021 telefonisch bestätigt, dass sie nicht habe berücksichtigt werden können, weil eine Ausblashöhe über Kopfhöhe festgelegt worden sei, dass aber mit der Vergabe alles in Ordnung sei. Auf Aufforderung zur Stellungnahme mit Anwaltsschreiben vom 3. September 2021 teilte ihr die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13. September 2021 mit, die Ausblashöhe sei zur Vermeidung von Zuglufterscheinungen und zur Gewährleistung einer Mindestwurfreichweite von fünf Metern erforderlich. Mit Schreiben vom 20. September 2021 erklärte die Antragstellerin, am 11. September 2021 aus der Presse von der Auftragsvergabe an die Beigeladene erfahren zu haben, und äußerte die Vermutung einer Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb, die sie als unzulässig rügte. Die Voraussetzungen einer Dringlichkeitsvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV hätten wegen Verzögerung um fast einen Monat nicht vorgelegen. Auch sei die Festlegung der technischen Anforderung einer Ausblashöhe über Kopfhöhe willkürlich gewesen, dem Vertragsschluss sei keine hinreichende Markterkundung vorausgegangen und die Mitwirkung von Prof. Dr. N. habe gegen die Verpflichtung zur Vermeidung von Interessekonflikten verstoßen. Zudem sei eine EU-weite Bekanntmachung der Auftragsvergabe unterblieben. Die Antragsgegnerin wies diese Rügen mit Schreiben vom 24. September 2021 zurück. Die Voraussetzungen einer Dringlichkeitsvergabe seien erfüllt, die Bekanntmachung erfolge schnellstmöglich.

Die Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der EU erfolgte am 4. Oktober 2021. Dort heißt es zur Begründung der Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb, dass aufgrund der sich täglich verstärkenden Belastung der Gesundheitssysteme durch die Dynamik der Covid-19-Infektionen ein kurzfristiger Beschaffungsbedarf bestanden habe. Wegen der bestehenden Gefährdung der fundamentalen Rechtsgüter Leben und Gesundheit hätte der Auftrag zügig vergeben und ausgeführt werden müssen, um die Corona-Pandemie eindämmen und den Schulbetrieb aufrechterhalten zu können. Die Lieferung der ersten 20 Luftreiniger erfolgte bis zu den Herbstferien 2021, bis Weihnachten 2021 war die Lieferung der Luftreinigungsgeräte abgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 beantragte die Antragstellerin die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb hätten nicht vorgelegen, da die Dringlichkeit selbst verschuldet gewesen sei. Auch sei die EU-weite Bekanntmachung der Auftragsvergabe nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erfolgt. Die Markterkundung sei unzureichend durchgeführt und fehlerhaft gewesen, weil durch das willkürliche Kriterium der Luftzufuhr über Kopf die Beigeladene bevorzugt worden sei. Die Beteiligung des sachverständigen Beraters Prof. Dr. N. sei insoweit aufgrund des bestehenden Interessenkonflikt unzulässig gewesen.

Die Antragstell...

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