Leitsatz (amtlich)

1. Der Muster-Netznutzungsvertrag (Anlage zur Festlegung eines Netznutzungs- und Lieferantenrahmenvertrages (Strom) der Bundesnetzagentur vom 14.04.2015 (BK6-13-042)) schließt für Netzbetreiber in geschlossenen Verteilernetzen eine Nachberechnung von Netzentgelten nach zivilrechtlichen Vorschriften nicht aus.

2. Die Sperrpflichtanordnung des Mustervertrages ist nicht zu beanstanden. Ein Netzbetreiber darf ein Unterbrechungsbegehren nicht von zusätzlichen Anforderungen abhängig machen, weil andernfalls die Gefahr der Diskriminierung besteht. Hiervon ist auch dann keine Ausnahme zu machen, wenn das geschlossene Verteilernetz einem Flughafen dient, bei dem aufgrund seiner Funktion besondere Betriebsrisiken bestehen.

 

Normenkette

NAV § 24 Abs. 3; EnWG § 20 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Bundesnetzagentur (Beschluss vom 16.04.2015; Aktenzeichen BK6-13-042)

 

Tenor

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 16.04.2015, Az.: BK6-13-042, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur werden der Betroffenen auferlegt. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird bis zum 15.02.2017 auf... EUR und ab dem 16.02.2017 auf... EUR festgesetzt. Der Gegenstandswert für das Verfahren VI-3 Kart 160/15 (V) betreffend die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und der Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses vom 16.04.2015 wird auf... EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Betroffene betreibt einen Flughafen in Deutschland und unterhält hierzu ein Elek-trizitätsversorgungsnetz zur Verteilung von Strom auf dem Flughafengelände. Sie ist als Betreiberin eines geschlossenen Verteilernetzes im Sinne des § 110 EnWG eingestuft. Die Letztverbraucher am Flughafen, u.a. die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, werden teils durch die Betroffene, teils durch Dritte mit Strom beliefert. Als Betreiberin eines geschlossenen Verteilernetzes nimmt sie nicht an der Anreizregulierung teil, sondern bildet ihre Entgelte kostenbasiert.

Nachdem die Bundesnetzagentur am 21.10.2013 ein Verfahren zur Harmonisierung der Vertragsgestaltung und der Abwicklung der Netznutzung eingeleitet hatte, hat die Behörde mit dem angegriffenen Beschluss vom 16.04.2015, Az. BK6-13-042, veröffentlicht im Amtsblatt vom 29.04.2015, den Musterinhalt neu abzuschließender und bereits bestehender Netznutzungs- und Lieferantenrahmenverträge zum 01.01.2016 verbindlich vorgegeben.

In der Festlegung bestimmt die Bundesnetzagentur, dass Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen verpflichtet sind, bei der Gewährung eines Strom-Netzzugangs gemäß § 20 Abs. 1a EnWG mit Letztverbrauchern und Lieferanten ausschließlich die in der Anlage des Beschlusses aufgeführten Muster-Netznutzungs- und Lieferantenrahmenverträge (im Folgenden: MNNV) zu verwenden (Tenorziffer 1). Bestehende Verträge sind zum 01.01.2016 inhaltlich anzupassen (Tenorziffer 2). In der Begründung des Beschlusses führt die Bundesnetzagentur aus, dass auch Betreiber von geschlossenen Verteilernetzen von der Festlegung erfasst seien, weil diese wie jeder Betreiber eines Energieversorgungsnetzes einen Netzzugang gewähren müssten (Begründung S. 13).

In dem Beschluss weist die Bundesnetzagentur darauf hin, dass bei geschlossenen Verteilernetzen eine Nachberechnungsklausel für Netzentgelte nicht erforderlich sei, weil die Entgelte keiner vorherigen Kostenprüfung unterlägen, vielmehr die Vermutung der Rechtmäßigkeit der veranschlagten Entgelte zugunsten der Betreiber der geschlossener Verteilernetze greife (Begründung S. 27). Sofern nicht ein Ausgleich nach § 8 Abs. 14 MNNV in Betracht komme, sei jedenfalls eine Abwicklung nach den Regeln des allgemeinen Zivilrechts möglich.

§ 8 Abs. 14 MNNV lautet:

"Werden Fehler in der Ermittlung von Rechnungsbeträgen oder in den der Rechnung zugrunde liegenden Daten festgestellt, so ist eine Überzahlung vom Netzbetreiber zu erstatten oder ein Fehlbetrag vom Netznutzer nachzuentrichten."

Zudem ist nach § 7 Abs. 4 MMNV der Netzbetreiber zur Anpassung der Entgelte berechtigt oder verpflichtet, soweit sich eine solche aus gesetzlicher, behördlicher oder gerichtlicher Vorgabe ergibt.

Der Mustervertrag sieht außerdem eine ausnahmslose Sperrpflicht des Netzbetreibers vor, wonach die Netz- und Anschlussnutzung auf Anweisung eines vom Lieferanten belieferten Letztverbrauchers zu unterbrechen ist. § 10 Abs. 6 MNNV lautet:

"Ist der Netznutzer ein Lieferant, unterbricht der Netzbetreiber auf dessen Anweisung die Netz- und Anschlussnutzung eines vom Lieferanten belieferten Letztverbrauchers im Elektrizitätsversorgungsnetz des Netzbetreibers längstens innerhalb von sechs Werktagen, wenn der Lieferant dem Netzbetreiber glaubhaft versichert, dass er

a. dem Anschlussnutzer gegenüber hierzu vertraglich berechtigt ist,

b. die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Anschlussnutzung vorliegen und

c. dem Kunden ...

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