Leitsatz (amtlich)
StPO §§ 140, 141, 304
1. Dem Rechtsanwalt steht gegen die Ablehnung seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger ein eigenes Beschwerderecht nicht zu.
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob wegen der Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint, sind neben der Höhe der zu erwartenden Strafe (in der Regel ab einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung) auch sonstige schwerwiegende mittelbare Nachteile für den Angeklagten - etwa der drohende Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung einer (insbesondere längeren) Freiheitsstrafe in anderer Sache - zu berücksichtigen.
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Düsseldorf hat den Angeklagten am 28. Juli 1999 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Dagegen haben die Rechtsanwälte B , H , S und L in Marl, die keine Vollmacht des Angeklagten zu den Akten gereicht haben, für diesen Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist.
Die Rechtsanwälte haben beantragt, dem Angeklagten für das Berufungsverfahren Rechtsanwalt S als Pflichtverteidiger beizuordnen. Diesen Antrag hat die Strafkammervorsitzende durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die von den genannten Rechtsanwälten eingelegte Beschwerde.
II.
1.
Das nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig, weil die Rechtsanwälte B , H , S und L (deren Bestellung gegen § 137 Abs. 1 Satz 2 StPO verstößt) es im eigenen Namen eingelegt haben. Ihnen und auch dem Rechtsanwalt S , dessen Beiordnung beantragt worden ist, steht kein eigenes Beschwerderecht zu (Senatsbeschluß vom 6. April 1988 - 1 Ws 299/88 -; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. , § 141 Rn 10 m. w. N. ).
Daß die genannten Rechtsanwälte die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt haben, ergibt sich aus folgendem:
Schon in dem Schriftsatz vom 25. Januar 2000 heißt es:
"Im übrigen beantragen wir noch, den Berufungsführer, Herrn Rechtsanwalt S , als Pflichtverteidiger beizuordnen. "
Das Schreiben ist unterzeichnet:
"Rechtsanwälte
durch: S "
In der Beschwerdeschrift vom 13. März 2000 ist ausgeführt:
". . . legen wir gegen den Beschluß des erkennenden Gerichtes vom 28. 02. 2000
Beschwerde
ein. "
Die Unterzeichnung lautet ebenfalls:
"Rechtsanwälte
durch: S ".
Daraus ergibt sich, daß die Beschwerde von der aus vier Rechtsanwälten bestehenden Sozietät im eigenen Namen eingelegt worden ist. Auch bei weiter Auslegung läßt sich dem Vorbringen nicht entnehmen, daß die Rechtsanwälte das Rechtsmittel im Namen des Angeklagten eingelegt haben, zumal sie keine Vollmacht zu den Akten gereicht haben.
III.
Auch in der Sache hätte die Beschwerde - ihre Zulässigkeit unterstellt - keinen Erfolg haben können, denn ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO liegt - wie die Strafkammervorsitzende zutreffend ausgeführt hat - nicht vor.
Weder die Schwere der Tat noch die Schwierigkeit der Sachoder Rechtslage lassen die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen. Auch ist nicht ersichtlich, daß der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann.
Die Schwere der Tat beurteilt sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung (BGHSt 6, 199; Senat VRS 92, 24; 95, 411; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 140 Rn. 23 m. w. N. ). Die verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten allein, die in der Berufungshauptverhandlung nicht erhöht werden kann, kennzeichnet die Tat noch nicht als schwer, denn die Rechtsprechung tendiert dahin, bei einer Straferwartung ab einem Jahr Freiheitsstrafe die Schwere der Tat zumindest dann zu bejahen, wenn die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wird (Senat JMBl. NRW 2000, 123, 124; zum Meinungsstand KK-Laufhütte, StPO, 4. Aufl. , § 140 Rn 27). In die bei der Beurteilung der Schwere der Tat gebotene Gesamtwürdigung sind auch dem Angeklagten infolge der Verurteilung entstehende oder drohende mittelbare Nachteile einzubeziehen wie insbesondere der drohende Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung (Senat aaO; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 140 Rn 25). Hier hat der Angeklagte bei Bestand der erstinstanzlichen Verurteilung und insbesondere der Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung den Widerruf einer ihm durch Urteil des Amtsgerichts Marl vom 3. Februar 1995 für eine Jugendstrafe von zehn Monaten bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung zu gewärtigen. Die ihm danach drohende Strafvollstreckung von insgesamt 13 Monaten kennzeichnet die Tat jedoch noch nicht als schwer. Eine Straferwartung von einem Jahr ist nicht als starre Grenze anzusehen (Senat VRS 95, 412; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO). Ob ein Verteidiger zu bestellen ist, hängt vielmehr auch von der Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten, seiner Persönlichkeit und den Umständen des Einzelfalles ab (Senat aaO). Deshalb kann in einfach gelagerten Fällen auch bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von insgesamt mehr als einem Jahr die Mitwirkung eines Verteidigers entbehrlich sein.
Ein solc...