Leitsatz (amtlich)

1. Die für eine 5-jährige Vertragslaufzeit vereinbarte Alleinbezugsverpflichtung des Franchise-Nehmers stellt auch dann keine unbillige Wettbewerbsbehinderung i.S.v. § 20 Abs. 1 GWB dar, wenn sie das gesamte Warensortiment umfasst. Das folgt aus den Regelungen der VO(EG) Nr. 2790/1999 (sog. Vertikal-VO), auf die im Rahmen der Billigkeitsprüfung zurückgegriffen werden kann.

2. Der Franchise-Geber, der seinen Franchise-Nehmer als Großhändler mit der Vertragsware beliefert und diesem nicht sämtliche Einkaufsvorteile weitergibt, erfüllt nicht den Tatbestand einer unbilligen Behinderung i.S.v. § 20 Abs. 1 GWB.

Mit Rücksicht auf die Preisbildungsfreiheit sind Maßnahmen der Preisgestaltung nur dann unbillig i.S.v. § 20 GWB, wenn sie entweder in der Absicht der Verdrängung eingesetzt werden oder wenn aus der wettbewerbsbehindernden Preisbildung die konkrete und ernste Gefahr einer nachhaltigen Beeinträchtigung struktureller Voraussetzungen für einen wirksamen Wettbewerb erwächst, d.h. eine konkrete ernsthafte Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs geschaffen wird.

3. Auch die Kombination einer 100%igen Bezugsbindung mit der Nichtweitergabe sämtlicher Einkaufsvorteile stellt nicht per se eine unbillige Behinderung des gebundenen Franchise-Nehmers dar. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Franchise-Geber seinen Franchise-Nehmer als Großhändler mit der Vertragsware beliefert und für diese Großhandelstätigkeit einen Teil der Einkaufsvorteile einbehalten darf.

 

Normenkette

GWB § 20 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 08.05.2006; Aktenzeichen B 9-149/04)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 11.11.2008; Aktenzeichen KVR 17/08)

 

Tenor

I. Der Beschluss des BKartA vom 8.5.2006 - B 9-149/04 - wird hinsichtlich des Beschlusstenors zu 2. aufgeho-ben.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschwerde-führerin entstandenen notwendigen Auslagen werden dem Bun-deskartellamt auferlegt.

III. Wert des Beschwerdeverfahrens: 250.000 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die P. B. GmbH mit Sitz in K.-S. (nachfolgend P. GmbH) ist eine Tochtergesellschaft der P. B.- und H. AG, K. (nachfolgend P. AG), an der die M. AG etwa 40 % der Aktien hält.

Die P. GmbH vertreibt im sog. dualen Vertriebssystem Baumarktsortimente. Sie unterhält unter der Bezeichnung "P." etwa 275 eigene Baumarkt-Filialen als Regiebetriebe. Darüber hinaus gibt es etwa 20 Franchisenehmer der P. GmbH, die zumeist unter der Bezeichnung "e.B. & H. M." oder "T.-C. B." geführt und von der Franchise-Systemzentrale der P. GmbH betreut werden. Zudem betreibt die P. AG selbst unter der Bezeichnung "T.-C." 22 weitere Baumärkte ganz überwiegend als Regiebetriebe.

Bis November 2005 war die P. AG eine 100%ige Tochtergesellschaft der M. AG, D.. Danach ist sie aus dem M.-Konzern herausgelöst worden. Bis November 2005 erfolgte der Einkauf der Sortimentsware für die eigenen Regiebetriebe und die Franchise-Betriebe über eine zentrale Beschaffungsorganisation des M.-Konzerns. Die M. G. B. GmbH (M.), D., verhandelte mit den verschiedenen Lieferanten die Rahmenbedingungen der Lieferverträge aus. Der Lieferant übermittelte nach Auslieferung der abgerufenen Waren die Rechnungen an die M. G. A. P. GmbH (M.), K.. Dort wurden die Rechnungen erfasst und an die P. GmbH weitergeleitet, die die Rechnungen nach Prüfung zur Zahlung freigab. M. leitete sodann die geprüften Rechnungen an die M. G. I., Z., weiter, die die Lieferantenrechnungen anschließend bezahlte. Die P. GmbH übermittelt ihren Franchisenehmern wöchentlich die jeweiligen Lieferantenrechnungen in Kopie und bucht die Rechnungsbeträge vom Konto des Franchise-Nehmers ab. Die von M. bei Abschluss der Rahmenverträge ausgehandelten Einkaufsvorteile (Rabatte, Boni, Rückvergütungen u. Ä.) werden nicht zu 100 % an die Franchise-Nehmer weitergeleitet. Zugunsten des Franchise-Nehmers wird allerdings ein sog. Belegabzug von den Rechnungsbeträgen abgesetzt, der je nach Lieferant zwischen ca. 0,5 % und 5 % schwankt. Überdies wird eine Rückvergütung von monatlich.. % auf die getätigten Umsätze gewährt.

Zum Vertriebskonzept der P. GmbH gehört ein sog. Dauerniedrigpreisprogramm für bestimmte Artikel. Diese Artikel werden besonders beworben. Zudem ist das Dauerniedrigpreisprogramm darauf angelegt, dass der entsprechende Verkaufspreis unabhängig von der Werbung beibehalten wird. Diese Preispolitik hat zur Folge, dass bestimmte Artikel von P.-Regiebetrieben zu Einzelhandelspreisen (Verkaufspreisen) angeboten werden, die unter den Preisen liegen, zu denen die Franchise-Nehmer die Artikel bei der P. GmbH beziehen (Einkaufspreise). Die Franchise-Nehmer haben die Wahl, ob sie sich dem Dauerniedrigpreisprogramm der P. GmbH anschließen oder nicht. Nehmen sie daran teil, sieht eine Rückerstattungsregelung vor, dass die Preisdifferenz zwischen dem Einkaufspreis und dem Endkundenpreis erstattet wird.

Zu den Franchise-Betrieben der P. GmbH gehörten von Januar 2001 bis Januar 2006 der T.-C. B. in S. a. d. M. und von Mai 2001 bis April ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?