Leitsatz (amtlich)
Ein Berechtigungsschein betreffend anwaltliche Beratungshilfe für "Trennung und alle daraus resultierenden Angelegenheiten" beschränkt den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nicht auf eine Angelegenheit, sondern kann Gebührenansprüche für verschiedene Angelegenheiten (hier: Beratungshilfe für Trennungsunterhalt, Kindesunterhalt, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Scheidung, Besuchsrecht bei den Kindern, elterliche Sorge und Haurat) begründen.
Normenkette
RVG § 15 Abs. 2 S. 1, § 16 Nr. 4, § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 3, § 33 Abs. 2 S. 2, § 33 S. 3, § 33 Abs. 6 S. 2, § 44 S. 1, § 56 Abs. 2 S. 1; RVG-VV § 2501 ff.; FamFG § 33; BerHG § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kleve (Beschluss vom 24.07.2012; Aktenzeichen 4 T 164/12) |
AG Kleve (Beschluss vom 25.05.2012; Aktenzeichen 8 II 682/11) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird wie folgt geändert:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des AG Kleve vom 25.5.2012 - 8 II 682/11 - wird zurückgewiesen.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das AG Kleve gewährte Herrn U. B. (nachfolgend Beratungshilfeberechtigten) am 17.5.2011 einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt für "Trennung und alle daraus resultierenden Angelegenheiten". Die Beteiligten zu 1) wurden im Wege der Beratungshilfe für den Beratungshilfeberechtigten tätig und reichten im Anschluss acht Anträge auf Vergütung durch die Staatskasse ein. Dabei handelt es sich um folgende Anträge:
1. Beratungshilfe für Trennungsunterhalt 99,96 EUR
2. Beratungshilfe für Kindesunterhalt 99,96 EUR
3. Beratungshilfe für Versorgungsausgleich 35,70 EUR
4. Beratungshilfe für Vermögensauseinandersetzung 35,70 EUR
5. Beratungshilfe für Scheidung 35,70 EUR
6. Beratungshilfe für Besuchsrecht bei den Kindern 35,70 EUR
7. Beratungshilfe für elterliche Sorge 35,70 EUR
8. Beratungshilfe für Hausrat 99,96 EUR
Durch Beschluss vom 7.5.2012 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des AG Kleve zunächst nur einen Betrag von 271,32 EUR festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beteiligten zu 1) hat das AG durch Beschluss vom 25.5.2012 die Vergütung antragsgemäß auf 478,38 EUR festgesetzt. Das LG hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) die den Beteiligten zu 1) zu zahlenden Gebühren und Auslagen wiederum auf 271,32 EUR festgesetzt, wobei es von insgesamt vier gebührenrechtlichen Angelegenheiten ausgegangen ist und hierfür im Einzelnen je 35,70 EUR für die Angelegenheiten "Scheidung" und "persönliches Verhältnis zu Kindern" und jeweils 99,96 EUR für die Angelegenheiten "Kindesunterhalt, Trennungsunterhalt und "Hausrat" festgesetzt und den weiter gehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen hat. Ferner hat das LG die weitere Beschwerde zugelassen.
Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1. den zurückgewiesenen Teil ihrer in erster Instanz gestellten Vergütungsanträge weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II. Die weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung im Beschluss des LG zulässig (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung des LG beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 33 Abs. 6 Satz 2 RVG, 546 ZPO), nämlich: auf der (zusammenfassenden) Behandlung der zur Kostenfestsetzung im Beratungshilfeverfahren angemeldeten Gebühren des Rechtsanwalts als insgesamt vier Angelegenheiten.
Entgegen der Ansicht des LG haben die Beteiligten zu 1) gem. § 44 Satz 1 RVG in Verbindung mit VV Nrn. 2503, 2501, 7022 zum RVG gegen die Landeskasse für die im Beschluss des AG vom 25.5.2012 bezeichneten Angelegenheiten einen Vergütungsanspruch von insgesamt 478,38 EUR.
Die Vergütung für eine Beratungshilfe richtet sich danach, ob eine oder mehrere Angelegenheiten i.S.v. §§ 15 ff. RVG, 2 Abs. 2 BerHG vorliegen und welche Grundsätze - entweder § 16 Nr. 4 RVG oder die zu § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG entwickelten allgemeinen Grundsätze - für die Bewertung insoweit heranzuziehen sind (KG AGS 2010, 612, 613).
Ein Rückgriff auf § 16 Nr. 4 RVG, wonach "eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen dieselbe Angelegenheit sind", ist bei der hier gegebenen Konstellation der Beratungshilfe nicht möglich. Die Bezugnahme auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO zeigt, dass diese Vorschrift lediglich das gerichtliche Verbundverfahren betrifft und nicht die einem solchen Verfahren vorgelagerte außergerichtliche Beratungshilfe (OLG Stuttgart BeckRS 2006, 12351 = FamRZ 2007, 574; OLG Düsseldorf - 10. OLG Düsseldorf -NJW-RR 2009, 430; OLG Köln AGS 2009, 422, 423 = FamRZ 2009, 1345 [1346]; OLG Frankfurt NJOZ 2009, 4576; OLG Hamm FamRz. 2011, 1685, 1686; OLG NürnbergNJW 2011, 3108, 3109; OLG CelleNJW 2011, 3109, 3110; AnwK/Fölsch, RVG, 6. Aufl., Vor VV 2501 ff. Rz. 29:
Die gegenteilige Auffassung (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 20. A...