Entscheidungsstichwort (Thema)
Präklusion der Befristung des Aufstockungsunterhalts
Leitsatz (amtlich)
In Abänderungsverfahren, die einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt betreffen, ist ein allein auf das Fehlen ehebedingter Nachteile gestütztes Befristungsverlangen regelmäßig präkludiert, wenn die Ehe der Parteien kinderlos geblieben ist und der abzuändernde Unterhaltstitel nach der Veröffentlichung des BGH - Urteils vom 12.4.2006 (Az. XII ZR 190/03) ausgeurteilt oder vereinbart wurde.
Sind aus der Ehe jedoch Kinder hervorgegangen, ist eine abweichende Beurteilung geboten, weil § 1573 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BGB a.F. die Unterhaltsbefristung für diesen Fall regelmäßig ausschloss und der BGH die Befristung eines Unterhaltsanspruchs nach einer Ehe, aus der Kinder hervorgegangen sind, erstmals mit Urteil vom 28.2.2007 (Az. XII ZR 37/05) gebilligt hat.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1578b
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Beschluss vom 13.08.2009; Aktenzeichen 24 F 452/09) |
Tenor
In der Familiensache pp. wird der Beschluss des AG Mülheim an der Ruhr vom 13.8.2009 auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller beabsichtigt, seine geschiedene Ehefrau auf Abänderung seiner durch Vergleich titulierten Unterhaltsverpflichtung in Anspruch zu nehmen.
Die Parteien heirateten am 25.3.1976, trennten sich im Juli 2004 und wurden am 25.1.2007 geschieden. Anlässlich der Scheidung verpflichtete sich der Antragsteller durch gerichtlich protokollierten Vergleich zur Zahlung von nachehelichen Unterhalt i.H.v. 450 EUR. Berechnungsgrundlage war ein durchschnittliches bereinigtes Nettoeinkommen des Antragstellers von 1980 EUR und ein fiktives Nettoeinkommen der Antragsgegnerin von 800 EUR.
Der Antragsteller fordert unter Berufung auf die Unterhaltsrechtsreform zum 1.1.2008 die Befristung seiner Unterhaltsverpflichtung bis zum 31.12.2008. Er macht geltend, dass die Antragsgegnerin ihren Unterhaltsanspruch auch auf gesundheitliche Beeinträchtigungen gestützt habe und die Befristung von Krankenunterhalt erst zum 1.1.2008 möglich geworden sei. Zudem habe er - der Antragsteller - am 16.10.2009 erneut geheiratet.
Das AG hat das Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II. Die gem. § 127 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Erfolg, weil dem Antragsteller jedenfalls eine hinreichende Erfolgsaussicht seines Abänderungsbegehrens nicht abgesprochen werden kann.
1. Der Unterhaltsvergleich vom 25.1.2007 kann gem. § 313 BGB abgeändert werden, wenn sich die Vertragsgrundlage nachträglich geändert hat. Die schlüssige Behauptung einer solchen Änderung ist besondere Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erhebung der Abänderungsklage.
2. Die Einkommensverhältnisse der Parteien haben sich unstreitig nicht wesentlich verändert. Auch die neue Eheschließung des Antragstellers scheidet als Abänderungsgrund aus, weil die Antragsgegnerin nach langer Ehe ggü. der neuen Ehefrau des Antragstellers vorrangig unterhaltsberechtigt ist (§ 1609 Nr. 2 und 3 BGB).
Der Antragsteller kann sein Abänderungsbegehren jedoch hinreichend erfolgversprechend auf eine Änderung der Rechtslage und ihrer Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung stützen.
Zwar haben die Parteien - entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers - keinen Anspruch auf Krankenunterhalt der Antragsgegnerin vertraglich fixiert. Dass die Antragsgegnerin ihren Anspruch zunächst auf gesundheitliche Beeinträchtigungen gestützt hat, ist nicht erheblich, weil ausweislich der in den Vergleich aufgenommenen Berechnungsgrundlage durch den Unterhaltsanspruch nur ein Ausgleich der Differenz zwischen den vollschichtig erzielten bzw. erzielbaren Einkommen beider Parteien vorgenommen und somit ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt vereinbart wurde.
Gleichwohl haben sich nach Auffassung des Senats erkennbare Möglichkeiten der Befristung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin erst durch die Änderung der Rechtsprechung des BGH nach Vertragsschluss und die Gesetzesänderung zum 1.1.2008 eröffnet.
a) Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt ist seit dem 1.4.1986 befristbar (UÄndG vom 20.2.1986, BGBl. I, 301). Von dieser Befristungsmöglichkeit konnte nach der älteren Rechtsprechung des BGH nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht werden, da nach der früheren höchstrichterlichen Einschätzung bereits nach mehr als 10 Ehejahren der Ehedauer im Regelfall ein durchschlagendes Gewicht für eine dauerhafte Unterhaltsgarantie und gegen eine Befristung beigemessen wurde (Urt. v. 28.3.1990 - XII ZR 64/89). Durch das Urteil des BGH vom 12.4.2006 (Az. XII ZR 37/05) wurde ein Wandel in der Rechtsprechung eingeleitet, in dessen Folge nicht mehr die Ehedauer, sondern die Frage, ob der Unterhaltsberechtigte durch die eheliche Aufgabenverteilung fortwirkende Nachteile erl...