Leitsatz (amtlich)

1. Der Neubau eines Schalthauses und die Neuerrichtung der für seine Anbindung erforderlichen Leitungen sind auch dann als Erweiterungs- und nicht als Umstrukturierungsinvestition zu qualifizieren, wenn das neu zu errichtende Schalthaus einen Teil der Versorgungsleistung des bisher allein bestehenden Schalthauses übernimmt. Die Aufteilung der Versorgungsleistung auf dann zwei Schalthäuser stellt lediglich eine Umorganisation und keine Umstrukturierung des Netzes dar.

2. Dass die Dimensionierung des neu errichteten Schalthauses durch eine über das normale Maß hinausgehende Wahl des Anlagenaufbaus und der angeschlossenen Netzstruktur eine Versorgungssicherheit gewährleistet, die über das (n-1)-Kriterium hinausgeht, qualifiziert die Maßnahme ebenfalls nicht als Umstrukturierungsinvestition, sondern stellt einen bloßen physikalischen Effekt dar, der auf der Erweiterung des Kapazitätsvolumens und der damit einhergehenden Reserve zusätzlicher technischer Ressourcen beruht.

3. Bei der Einordnung der Investition als Umstrukturierungs- oder Erweiterungsinvestition sind nur die Maßnahmen heranzuziehen, die Gegenstand des konkreten, streitgegenständlichen Antrags sind, hingegen nicht in der Zukunft geplante weitere Maßnahmen im Verteilernetz der Antragstellerin.

 

Normenkette

ARegV § 23 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 S. 2 Nr. 7

 

Verfahrensgang

Bundesnetzagentur (Beschluss vom 31.08.2015; Aktenzeichen BK4-14-066)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 29.01.2019; Aktenzeichen EnVR 47/17)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 15.10.2015 gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 31.08.2015, Az.: BK4-14-066, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwenigen Auslagen der Bundesnetzagentur trägt die Antragstellerin.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf... Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin ist Betreiberin eines Elektrizitätsverteilernetzes.

Am 08.09.2010 erließ die Bundesnetzagentur ein Festlegung zur Verwendung anderer Parameter zur Ermittlung des Erweiterungsfaktors nach § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ARegV für Elektrizitätsverteilernetzbetreiber (BK8-10/004). Ziffer 7 der Festlegung trifft folgende Regelung:

"Die Bundesnetzagentur ist der Ansicht, dass § 10 ARegV und § 23 Abs. 6 ARegV auf Sachverhalte, welche durch die Erweiterungsfaktorformel abbildbar sind, nicht kumulativ anwendbar sind...

Hieraus folgt, dass § 23 Abs. 6 ARegV dem § 10 ARegV nachrangig ist. Der Netzbetreiber hat somit kein Wahlrecht, ob er bezogen auf eine Erweiterung einen Antrag gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 10 ARegV stellen möchte oder einen Antrag gemäß § 23 Abs. 6 ARegV. § 23 Abs. 6 ARegV ist lediglich auf Erweiterungsmaßnahmen anwendbar, die durch den Erweiterungsfaktor nicht abbildbar sind. § 23 Abs. 6 ARegV stellt diesbezüglich eine Auffangregelung dar..."

In Ziffer 8 der Festlegung heißt es: "Auf Stellungnahmen zur Ermittlung des Erweiterungsfaktors, die über die Vorgaben zur Berücksichtigung des Parameters "Anzahl der Einspeisungspunkte dezentraler Erzeugungsanlagen" hinausgehen, wie beispielsweise zum allgemeinen Datenumfang, der grundsätzlichen Berücksichtigung von Planwerten, der Berechnung der Gewerbesteuer oder der Berechnung der Erheblichkeit der Versorgungsänderung, wird nicht näher eingegangen, da diese nicht Gegenstand der Festlegung sind."

Mit Schreiben vom 31.03.2014 beantragte die Antragstellerin bei der Bundesnetzagentur die Genehmigung der Investitionsmaßnahme "Errichtung eines Schalthauses im..." gemäß § 23 Abs. 6 ARegV i.V.m. Abs. 1 S. 2 Nr. 7 ARegV und stellte am gleichen Tag im Energiedatenportal der Bundesnetzagentur einen Erhebungsbogen für die Investitionsmaßnahme bereit. Mit dem Projekt sollen folgende drei Hauptmaßnahmen realisiert werden:

  • Neubau des Schalthauses...
  • Neubau zweier 20 kV Speisekabeltrassen (Hochstromleitungen) vom Standort... bis zum Standort Schalthaus...
  • Neubau von 20 kV Mittelspannungsleitungen zur Anbindung des Netzgebiets (...) an das Schalthaus...

Bei dem Netzgebiet... handelt es sich um ein Gewerbegebiet für den Wissenschafts- und Universitätsbereich mit einer zum Antragszeitpunkt vertraglich gebundenen Leistung von... MW. Die Antragstellerin erwartet, dass die Leistungsnachfrage in Zukunft aufgrund... auf mindestens... MW steigen wird. Da die Tragfähigkeit des Schalthauses..., das die Leistung bislang verteilt, sowie die der Mittelspannungszuleitungen erreicht ist bzw. teils sogar überschritten wird, wird ohne geeignete Netzumbaumaßnahmen am... mit gravierenden Netzengpässen und einer akuten Gefährdung der technischen Sicherheit zu rechnen sein. Die geplanten Anschaffungs- und Herstellungskosten der streitgegenständlichen Maßnahme wurden im Antrag mit... Euro angegeben, erhöhen sich aber nach derzeitigem Stand auf... Euro, wobei im Jahr 2015 mit erstmals aktivierungsfähigen Anlagen im Bau geplant wurde und die Inbetriebnahme für 2017 vorgesehen ist. Die Betriebskosten belaufen sich - basi...

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