Leitsatz (amtlich)
1. Die "Kündigungssperre" des Insolvenzverfahrens wirkt auch, wenn die schriftliche Kündigung des "Mietkaufs (Leasingvertrag) vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Inolvenzverfahrens abgesandt worden ist, aber dem Leasingnehmer erst nach dem Eingang des Antrags bei Gericht zugeht.
2. Bei einem "Mietkauf" gebührt der Mehrerlös aus der Verwertung des Mietobjekts dem Mietkäufer, wenn alle Ansprüche des Mietverkäufers befriedigt sind und danach das Eigentum an der Sache auf den Mietkäufer übergehen sollte.
Normenkette
BGB §§ 535, 546; InsO § 112
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 1 O 56/07) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der für den 16.12.2008 geplante Senatstermin findet nicht statt.
Gründe
Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine von dem landgerichtlichen Urteil abweichende Entscheidung.
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist schon nicht ersichtlich, ob die von der Beklagten mit Schreiben vom 29.6.2006 erklärte außerordentliche Kündigung der als "Mietkaufverträge" bezeichneten Vertragsverhältnisse vom 8.6.2001/2.9.2002, 8.6./18.12.2001, 20.11.2001/26.3.2003 und 10.7.2002 überhaupt wirksam war. Letztlich bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, weil der Mehrerlös aus der Verwertung jedenfalls dem Mieter (oder Leasingnehmer) zusteht.
I. Die Beklagte macht geltend, aufgrund der fristlosen Kündigungen aller Mietkaufverträge vom 29.6.2006 zum Einbehalt des Mehrerlöses aus dem Verkauf der Maschinen berechtigt gewesen zu sein. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann schon nicht festgestellt werden, dass die Kündigung wirksam war.
1. Das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der vom Kläger vertretenen Gemeinschuldnerin wurde am 30.6.2006 um 12:59 Uhr eröffnet (vgl. die Veröffentlichung in www. insolvenzbekanntmachungen. de). Der Eingang des Eröffnungsantrags, welcher nach § 112 InsO maßgeblich ist, ist ebenfalls am 30.6.2006 erfolgt, wie dem Eröffnungsbeschluss des AG Meiningen vom 11.8.2006 zu entnehmen ist. Das Kündigungsschreiben der Beklagten datiert indes auf den 29.6.2006. Eine Kündigung wird als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung erst dann wirksam, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGHZ 67, 271; BGH NJW 1980, 990; 2004, 1320; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl., § 130 Rz. 5 m.w.N.). Dass der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin vor der Antragstellung bzw. bis spätestens 12:59 Uhr am 30.6.2006 die Möglichkeit hatte, die Kündigung zur Kenntnis zu nehmen, erscheint dem Senat sehr zweifelhaft. Es ist schon unklar und lässt sich dem Vorbringen der Beklagten auch nicht entnehmen, ob das auf den 29.6.2006 datierte Schreiben von der Beklagten an diesem Tag überhaupt zum Versand gegeben wurde. Gerade die organisatorischen Abläufe innerhalb von Unternehmen führen nicht selten zu Verzögerungen beim Versandablauf, weil Schreiben nicht direkt vom Sachbearbeiter zur Postversendung gelangen. Es erscheint somit nicht fern liegend, dass der Versand erst an einem der darauf folgenden Tage erfolgt ist. Selbst wenn am 29.6.2006 eine Weitergabe an einen Postzusteller erfolgt wäre, ist offen, ob das Schreiben vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Gemeinschuldnerin in der beschriebenen Weise zugegangen ist. Es fehlt in der vorgelegten Kopie des Kündigungsschreibens jeder Hinweis darauf, ob das Schreiben per Boten am selben Tage zugestellt werden sollte und ob dies erfolgt ist. Nur eine vor Antragseingang zugegangene (und materiell-rechtlich begründete) Kündigung ist wirksam und wird von einer nachfolgenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt (Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 5. Aufl., Kap. P Rz. 6 am Ende). Wurde die (sachlich berechtigte) Kündigung vor Antragstellung abgeschickt, so bleibt sie wirkungslos, wenn sie dem Schuldner erst nach Antragstellung zugeht (Eckert in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 112 Rz. 23).
Aufgrund der dargelegten zeitlichen Zusammenhänge geht der Senat unter Anwendung des § 286 ZPO davon aus, dass die Kündigungserklärung der Beklagten den Schuldner vor der Antragstellung nicht erreicht hat. Bislang hat die Beklagte zum Zugang nichts vorgetragen. Sie ist jedoch darlegungs- und beweisbelastet für den Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens, da sie ihre Rechte aus der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ableitet (vgl. hierzu auch MünchKomm/Eckert, a.a.O., § 112 Rz. 18 m.w.N.).
2. Der Zugang und damit das Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung sind im Hinblick auf die Vorschrift des § 112 InsO wesentlich. Ein Vermieter kann das Mietverhältnis nach einem gegen den Mieter gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens üb...