Leitsatz (amtlich)
›1. Der Jugendrichter ist als Vollstreckungsleiter, auch wenn im ersten Rechtszug gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden ein Oberlandesgericht (sog. Landeshauptstadt-OLG) entschieden hat, nicht nur für die Vollstreckung der Jugendstrafe, sondern auch für die jugendrichterlichen Entscheidungen gemäß § 83 JGG zuständig; die Regelung des § 462a V StPO findet insoweit keine Anwendung.
2. Ist ein jugendlicher oder heranwachsender Straftäter im ersten Rechtszug von einem Oberlandesgericht verurteilt worden, so ist das Oberlandesgericht auch für die Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter zuständig; die Aufgaben, die der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren zugewiesen sind, werden in diesem Falle vom Generalbundesanwalt wahrgenommen, sofern nicht eine Abgabe der Sache an die Landesstaatsanwaltschaft erfolgt war.‹
Verfahrensgang
GBA Karlsruhe (Aktenzeichen 2 StE 5/93) |
Gründe
I.
Die Angeklagten R, K, H und G wurden wegen ihrer Beteiligung an dem Brandanschlag in S (Tatzeit: 29.05.1993) durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13.10.1995 (VI 13/93) des Mordes an fünf Menschen in Tateinheit mit versuchtem Mord an 14 Menschen und besonders schwerer Brandstiftung für schuldig befunden und wie folgt rechtskräftig verurteilt:
- O R (zur Tatzeit 16 Jahre alt) zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren,
- F K (zur Tatzeit 16 Jahre. alt) zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren,
- O B (zur Tatzeit 20 Jahre alt) zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren,
- M G (zur Tatzeit 23 Jahre alt) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
Die Verurteilten befinden sich seit dem 30.05.1993 (R) bzw. seit dem 03.06.1993 (K, B, G) in Haft. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft werden die Verurteilten R, K und B Ende Januar bzw. Anfang Februar 2000 zwei Drittel der gegen sie erkannten Jugendstrafe verbüßt haben. Da möglicherweise - worauf informatorische Voranfragen seines Verteidigers hindeuten könnten der Verurteilte B - gegebenenfalls auch der Verurteilte K - eine vorzeitige Entlassung anstreben werden, und im Falle etwaiger Anträge im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz des § 88 Abs. 3 JGG frühzeitig Klarheit über das zur Entscheidung berufene Gericht bestehen muß, ergibt sich die Notwendigkeit, bereits jetzt klarzustellen, wer über die im Vollstreckungsverfahren erforderlich werdenden Entscheidungen und insbesondere über die Frage einer Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 88 JGG (R, K) bzw. gemäß §§ 88, 110 Abs. 1 JGG (B) zu entscheiden hat. Auch hinsichtlich des Verurteilten G ist eine Klarstellung zur Frage einer etwaigen Abgabe der Zuständigkeit gemäß § 462 a Abs. 5 Satz 2 StPO angezeigt.
II.
1. Im Falle der (zur Tatzeit) Jugendlichen R und ist der zuständige Jugendrichter als Vollstreckungsleiter, §§ 82 Abs. 1, 83 Abs. 1 JGG, zur Entscheidung über die Frage berufen, ob die Vollstreckung eines Restes der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, § 88 JGG.
a) Daß die Zuständigkeit für die Vollstreckung von Jugendstrafe gegen jugendliche Straftäter beim Jugendrichter als Vollstreckungsleiter liegt, § 82 Abs. 1 JGG, ist auch in Ansehung der Zuständigkeitsregelung des § 462 a Abe. 1 StPO unstreitig, und zwar auch wenn ein Senat des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug entschieden hat, § 462 a Abs. 5 StPO.
b) Die Zuständigkeit des Vollstreckungsleiters umfaßt aber auch die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der im einzelnen in § 83 Abs. 1 JGG bezeichneten jugendrichterlichen Entscheidungen, somit auch die Entscheidung über die bedingte Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Jugendstrafe zur Bewährung. Diese Zuständigkeit besteht, auch dann, wenn im ersten Rechtszug ein Senat des Oberlandesgerichts entschieden hat; aus der Regelung des § 462 a Abs. 5 Satz,1 StPO ergibt sich insoweit nichts anderes.
aa) Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 JGG nimmt der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter "auch die Aufgaben wahr, welche die Strafprozeßordnung der Strafvollstreckungskammer zuweist".
Zu diesem Aufgabenkreis zählt vor allem auch die Entscheidung, ob ein Verurteilter bedingt (vorzeitig) aus der Haft entlassen werden kann, die für den Bereich des Erwachsenenstrafrechts gemäß §§ 57 ff. StGB zu treffen und gemäß §§ 462 a Abs. 1, 454 Abs. 1 StPO der Strafvollstreckungskammer übertragen ist. Im Jugendstrafrecht findet die Regelung der §§ 57 ff. StGB ihre Entsprechung in der Vorschrift des § 88 JGG, so daß auch die hiernach zu treffende Entscheidung, ob die Vollstreckung eines Restes einer Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, in § 83 Abs. 1 JGG als eine der wesentlichen, vom Vollstreckungsleiter zu treffenden jugendrichterlichen Entscheidungen aufgeführt ist. Dabei gilt diese - ausschließliche - Zuständigkeit des Jugendrichters nicht nur dann, wenn der Jugendliche von einem Jugendgericht zu einer Jugendstrafe verurteilt wurde, sondern gemäß §§ 88 Abs. 1, 82 Abs. 1 S. 1, 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 JGG auch dann, wenn die Jugendstra...