Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist. Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine wirksame Ausgangskontrolle ist in einer Rechtsanwaltskanzlei nur dann gewährleistet, wenn am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Kraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen.

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 236 Abs. 2 S. 1, §§ 517, 522 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Krefeld (Urteil vom 02.06.2008)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.04.2009; Aktenzeichen XII ZB 167/08)

 

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten, ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das am 2.6.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Krefeld wird auf Kosten des Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) als unzulässig verworfen.

3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 842,26 EUR - 2 × ([308,13 EUR -259 EUR]+5 × [123,25 EUR -92,25 EUR]+7 × [180 EUR -149 EUR]) -

 

Gründe

1. Der Beklagte hat gegen das ihm am 6.6.2008 zugestellte Urteil des AG - Familiengericht - Krefeld mit Schriftsatz vom 4.7.2008, bei Gericht eingegangen am 9.7.2008 (Mittwoch) Berufung eingelegt. Nachdem ihm unter dem 10.7.2008 der verspätete Eingang der Berufungsschrift mitgeteilt worden war, hat er mit Schriftsatz vom 18.7.2008, bei Gericht eingegangen am 21.7.2008, wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung führt er aus, die Berufungsschrift sei von seiner Kanzleiangestellten am 4.7.2008 in den Briefkasten geworfen worden und hätte bei regelmäßigem Postlauf rechtzeitig am 7.7.2008 bei Gericht eingehen müssen.

2. Die Berufung des Beklagten war als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO), weil sie nicht rechtzeitig innerhalb der Berufungsfrist, die einen Monat beträgt (§ 517 ZPO), bei Gericht eingegangen ist.

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist kommt nicht in Betracht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten geht dahin, dass sich der Berufungsschriftsatz in einem Kuvert befunden habe, das eine Angestellte am 4.7.2008 in den Briefkasten geworfen und damit rechtzeitig auf den Postweg gebracht habe. Da die fragliche Angestellte den Inhalt des Umschlags nicht geprüft hat, und auch die den Umschlag vorbereitende Angestellte keine Erinnerung mehr daran hat, welche Post sie an dem fraglichen Tag versandfertig gemacht hat, wäre ein rechtzeitiger Versand der Berufungsschrift nur dann glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), wenn aufgrund organisatorischer Vorkehrungen zur Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten angenommen werden kann, dass auch der fragliche Schriftsatz rechtzeitig zur Post gelangt ist. Dies ist indes nicht der Fall. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass an dem Fristversäumnis ursächlich ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten mitgewirkt, welches sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gehört es zu den dem Prozessbevollmächtigten obliegenden Aufgaben, dafür Sorge zu tragen, dass fristgebundene Schriftsätze nicht nur rechtzeitig hergestellt werden, sondern auch innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingehen. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, d.h. die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 562; FamRZ 2007, 1879 m.w.N.) Die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus (BGH, NJW 2006, 2412). Es muss...

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