Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist in der Regel nicht anfechtbar. Etwas anderes gilt, wenn der Angeklagte geltend macht, der Vorsitzende habe unter Verstoß gegen die Auswahlgrundsätze entschieden oder die Bestellung des Pflichtverteidigers sei neben der Tätigkeit des Wahlverteidigers unzulässig.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Entscheidung vom 21.08.2002; Aktenzeichen 126 Js 21/02) |
Tenor
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Gründe
1.
Am 19. Juli 2002 bestellte sich Rechtsanwalt Dr. B. . . in R. . . unter Vorlage einer Strafprozessvollmacht als Verteidiger des Angeklagten. Mit Schriftsatz vom 15. August 2002 bat der Wahlverteidiger um Aufhebung des auf den 29. August 2002 bestimmten Hauptverhandlungstermins mit der Begründung, dass "die plötzliche Aktenübersendung von knapp 3000 Seiten neuem Aktenmaterial 14 Tage vor dem Gerichtstermin eine unzumutbare Belastung der Verteidigung" darstelle. Diesen Antrag lehnte der Vorsitzende der Strafkammer mit begründeter Verfügung vom 19. August 2002 ab. Gleichzeitig bat er den Wahlverteidiger um eine klarstellende Erklärung, falls dieser im Hinblick auf die Vorbereitungszeit nicht ordnungsgemäß verteidigen könne, "damit ggflls ein anderer Verteidiger beigeordnet" werden könne.
Am 20. August 2002 wurde an den Wahlverteidiger und den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten ein gerichtliches Fax-Schreiben abgesandt, in dem es heißt, dass die Kammer erwäge, dem Angeklagten einen weiteren im hiesigen Bezirk ansässigen Verteidiger zur Sicherung der Durchführung der Hauptverhandlung beizuordnen. Einer evtl. Stellungnahme und etwaigen Vorschlägen werde bis heute (20. August 2002) um 15. 30 Uhr entgegengesehen. Am 21. August 2002 ordnete der Vorsitzende Rechtsanwalt P. . . in D. . . dem Angeklagten als Pflichtverteidiger bei, um die Durchführung der Hauptverhandlung sicherzustellen. Gegen diese Beiordnung richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 26. August 2002.
Am 29. August 2002 ordnete der Vorsitzende in der Hauptverhandlung antragsgemäß den Wahlverteidiger Rechtanwalt Dr. B. . . dem Angeklagten als (zweiten) Pflichtverteidiger bei. Die Hauptverhandlung wurde ausgesetzt und soll am 15. Oktober 2002 neu beginnen.
2.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zwar grundsätzlich der Anfechtung entzogen. Es ist jedoch anerkannt, dass die Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) dann zulässig ist, wenn der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder wegen Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen, oder geltend gemacht wird, der Vorsitzende habe - etwa unter Verstoß gegen die Auswahlgrundsätze - ermessensfehlerhaft entschieden oder die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem bereits zuvor bestellten Wahlverteidiger sei unzulässig. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Angeklagte nur allgemein vorträgt, durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt worden zu sein. Das Beschwerdegericht prüft nur, ob der Vorsitzende die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten und im übrigen die Person des Pflichtverteidigers ermessensfehlerfrei ausgewählt hat. (vgl. OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, AnwBl 1998, 46; OLG Frankfurt StV 1994, 288; StV 1991, 9; StV 1987, 379; OLG Hamm StV 1989, 242, 243; OLG Celle StV 1988, 100; NStZ 1988, 39; OLG Zweibrücken NStZ 1988, 144; OLG Köln StV 1989, 241, 242; OLG München AnwBl 1980, 467 - jeweils mit weiteren Rechtspr. nachw. -; KMR-Müller, § 141 StPO Rdnr. 22; KK-Laufhütte, StPO, 4. Aufl. , § 144 Rdnr. 6).
Vorliegend macht der Angeklagte geltend, ihm sei "das Recht auf Auswahl eines weiteren Pflichtverteidigers" nicht gewährt worden; der Vorsitzende habe Rechtsanwalt P. . . gegen seinen Willen beigeordnet. Der Senat erachtet die Beschwerde unter diesen Umständen als zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet.
Zwar hat der Vorsitzende bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 142 Abs. 1 S. 1 StPO ein Auswahlrecht; dieses wird aber durch die Regelung in S. 2 und S. 3 der Vorschrift dadurch eingeschränkt, dass der vom Angeklagten bezeichnete Verteidiger zu bestellen ist, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen. Dem Begehren des Angeklagten ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Diese Einschränkung des Auswahlrechts gilt auch für die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem von dem Angeklagten bereits gewählten Verteidiger. Dass - wie hier - der Pflichtverteidiger in erster Linie zur Sicherung des Verfahrens bestellt wird, ändert daran nichts.
Vorliegend hat der Strafkammervorsitzende die Beschränkung seines Auswahlrechts und das Anhörungsrecht des Angeklagten vor Beiordnung von Rechtsanwalt P. . . als (ersten) Pflichtverteidiger nicht ausreichend beachtet. Die dem Angeklagten mit gerichtlichem Fax-Schreiben vom 20. August 2002 zur Stellungnahme und Ausübung seines Vorschlagsrechts gesetzte Frist von wenigen Stunden war unter den gegebenen Umständen unangemessen. Der Senat verkennt in diesem Z...