Leitsatz (amtlich)
1. Besaß der Erblasser nicht die deutsche Staatsangehörigkeit und hatte er in den letzten fünf Jahren vor der Beantragung des Erbscheins seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit hinsichtlich des in Deutschland belegenen Nachlassvermögens - und damit auch für die Erteilung des nur auf dieses Vermögen beschränkten Erbscheins - nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO. Zuständig sind die (Nachlass-)Gerichte des Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet.
2. Wird die Verweisung an ein anderes Nachlassgericht auf die seit Jahren außer Kraft getretene Vorschrift des § 343 Abs. 3 FamFG a.F. gestützt, entfaltet der Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung.
Normenkette
EuErbVO Art. 10 Abs. 2; FamFG § 3 Abs. 3 S. 2, § 343 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Mettmann (Aktenzeichen 7a VI 1095/22) |
AG Bautzen (Aktenzeichen VI 764/23) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Nachlassgericht gem. § 343 Abs. 2 FamFG wird das Amtsgericht Mettmann bestimmt.
Gründe
I. Der Erblasser war der Vater der Beteiligten zu 1 und zu 2. Er war im Zeitpunkt seines Todes ausschließlich kanadischer Staatsangehöriger und hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Coquitam, British Columbia, Canada. Sein letzter Wohnort in Deutschland vor seiner Übersiedlung nach Kanada in den 60er Jahren war Hubbelrath im Kreis Mettmann. Sein in Deutschland belegenes Vermögen beschränkt sich auf Bankguthaben bei der Deutsche Bank AG, Filiale Bautzen.
Der Beteiligte zu 1 hat am 13.10.2022 bei dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Toronto, Kanada, einen Antrag auf Erteilung eines gegenständlich auf das in der Bundesrepublik Deutschland belegene Nachlassvermögen beschränkten gemeinschaftlichen Erbscheins nach dem Erblasser beurkunden lassen. Diesen hat er am 21.10 2022 beim Amtsgericht Mettmann eingereicht.
Das Amtsgericht - Rechtspflegerin - Mettmann hat das Verfahren - nach Anhörung des Beteiligten zu 1 durch die Abteilungsrichterin - mit Beschluss vom 31.05.2023 zur weiteren Sachbearbeitung und Entscheidung an das Amtsgericht Bautzen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit folge aus § 343 Abs. 3 FamFG. Danach sei bei einem Ausländer, der keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, das Amtsgericht als Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befänden.
Das Amtsgericht - Rechtspflegerin - Bautzen hat sich nach Anhörung des Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 28.08.2023 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache gemäß § 5 FamFG zur Bestimmung der Zuständigkeit an das Oberlandesgericht Düsseldorf abgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Zuständigkeit des Amtsgerichts Mettmann ergebe sich aus der Anwendung von Art. 10 Abs. 2 EuErbVO i.V.m. § 343 Abs. 2 FamFG i.d. seit dem 17.08.2015 geltenden Fassung. Danach sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Erblassers das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe, wenn er im Zeitpunkt des Todes keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland gehabt habe. Das Amtsgericht Mettmann habe eine alte Fassung des § 343 FamFG angewendet.
II. Der Senat ist zur Entscheidung über das örtlich zuständige Nachlassgericht im Inland berufen.
1. Die deutschen Gerichte sind international zuständig:
Für die internationale Zuständigkeit gilt die EuErbVO, die für alle Erbfälle ab dem 17.08.2015 Anwendung findet (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO) und auch im Verhältnis zu Drittstaaten, im vorliegenden Fall Kanada, Gültigkeit hat (MüKoFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 343 Rn. 49 m.w.N.).
Vorliegend hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats (Art. 4 EuErbVO). Daher richtet sich die internationale Zuständigkeit subsidiär nach Art. 10 EuErbVO. Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den gesamten Nachlass nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO besteht nicht, weil sich im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik zwar Nachlassvermögen befindet, der Erblasser aber weder die deutsche Staatsangehörigkeit besaß (lit. a) noch er in den letzten fünf Jahren vor der Beantragung des Erbscheins beim Amtsgericht Mettmann seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (lit. b). Damit richtet sich die internationale Zuständigkeit nur hinsichtlich des in Deutschland belegenen Nachlassvermögens und damit auch für die Erteilung des nur auf dieses Vermögen beschränkten Erbscheins nach Art. 10 Abs. 2 EuErbVO. Danach sind, wenn sich keine Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 1 EuErbVO ergibt, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, für Entscheidungen für dieses Nachlassvermögen zuständig.
2. Der Senat ist gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG i.V.m. § 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG als nächsthöheres Gericht zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit berufen, nachdem das Amtsgericht Mettmann mit Beschluss vom 31.05.2023 das Verfahren zuständigkeitshalber an das ...