Verfahrensgang

AG Kempen (Beschluss vom 17.10.1997; Aktenzeichen 17 F 129/95)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Kempen vom 17.10.1997 abgeändert.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht Prozeßkostenhilfe für den Zahlungsantrag der auf Zugewinnausgleich gerichteten Stufenklage mit der Begründung verweigert, die Klägerin habe nichts zum Wert vorgetragen, den die vom Beklagten während des Güterstandes ererbten, in der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücke am 3.10.1990 (Wiedervereinigung) gehabt hätten. Die hiergegen gerichtete Beschwerde (§ 127 II S. 2 ZPO) führt zur Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung.

1. In sachlicher Hinsicht überzeugt die Entscheidung des Amtsgerichts nicht. Zum Wert eines Grundstücks kann und muß der Zugewinnausgleichskläger nicht konkret vortragen und etwa gar DM– Beträge nennen. Die Feststellung des Wertes eines Grundstücks beruht nämlich im wesentlichen auf einer aufgrund besonderer Sachkunde gezogenen Schlußfolgerung aus wertbildenden Faktoren, weshalb im Streitfall nach der Rechtsprechung des BGH auch regelmäßig ein Sachverständigengutachten erforderlich ist (BGH FamRZ 1989, 954, 956). Dies gilt erst recht, wenn das Grundstück – wie hier – in der ehemaligen DDR gelegen ist. Mit der unterlassenen Angabe wertbildender Faktoren konnte die Verweigerung der Prozeßkostenhilfe daher schlechterdings nicht begründet werden.

Auch der Hinweis des Amtsgerichts auf die Entscheidung des BGH vom 23.06.1993 (NJW 1993, 2176 = FamRZ 1993, 1061) reicht für eine Verweigerung der Prozeßkostenhilfe nicht aus. Die dort beurteilte Situation eines Pflichtteilsberechtigten kann auf den hier vorliegenden Fall einer zugewinnausgleichsberechtigten Ehefrau nicht übertragen werden.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin. Das Amtsgericht hat offensichtlich Bedenken, ob die reale Wertsteigerung, die Grundstücke in der ehemaligen DDR nach dem 03.10.1990 durch die Änderung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfahren haben, güterrechtlich auszugleichen ist. Daß diese Wertsteigerung nicht wie üblich im Laufe der Jahre, sondern im wesentlichen „in einem Schub” mit der Herstellung der Einheit Deutschlands im Jahre 1990 eingetreten ist, steht der güterrechtlichen Berücksichtigung aber nicht entgegen. Insoweit kann der Fall nicht anders behandelt werden als der, daß jemand Ackerland erbt, das Bauland wird, oder Aktien, die plötzlich einen höheren Börsenkurs erreichen (vgl. Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 1373 Rdr. 13). Auch die Tatsache, daß in den Jahren nach den beiden Erbfällen vom 22.05.1965 und 16.03.1977 mit einer Wiedervereinigung nicht zu rechnen war und der Wertsteigerung daher etwas Zufälliges anhaftet, steht der güterrechtlichen Berücksichtigung nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat sich in den §§ 1372 ff BGB gerade für eine schematische, starre Regelung dahin entschieden, daß die Ehegatten grundsätzlich an allem, was sie während der Ehe hinzuerworben haben, bei Beendigung des Güterstandes wertmäßig gleichen Anteil haben sollen. Dem entsprechend hat der BGH sogar einen Lottogewinn dem güterrechtlichen Ausgleich unterworfen und ausgeführt, daß es durchaus auf der Linie des Gesetzes liege, den anderen Ehepartner aufgrund der ehelichen Lebens- und Schicksalsgemeinschaft an einem solchen Gewinn im Rahmen des Zugewinnausgleichs teilhaben zu lassen (vgl. BGH FamRZ 1977, 124). Auch ein „unverdienter”, aber effektiver Wertzuwachs, der mit keiner Substanzveränderung verbunden ist, ist echter Zugewinn.

Es bestehen nach alledem keine durchgreifenden Bedenken dagegen, die Klägerin güterrechtlich an der allein durch die Wiedervereinigung verursachten Wertsteigerung der vom Beklagten geerbten Grundstücke (§ 1374 II BGB) teilhaben zu lassen. Dies gilt um so mehr für das summarische Prozeßkostenhilfebewilligungsverfahren, das nicht dazu bestimmt ist, abschließend schwierige Rechtsfragen zu klären.

Das Amtsgericht hat nach alledem erneut über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für den Zahlungsantrag der Stufenklage zu entscheiden. In einem eventuellen Hauptsacheverfahren wird es sich nicht vermeiden lassen, den Wert der geerbten Grundstücke zu den Stichtagen mit Hilfe eines Sachverständigen aufzuklären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1930888

NJW 1999, 501

FamRZ 1999, 225

FamRZ 1999, 917

FuR 1998, 187

ZAP-Ost 1999, 136

OLGR Düsseldorf 1998, 157

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