Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Zurechnung eines Einkommens bei Unterhaltspflichtigem ohne qualifizierte Ausbildung
Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung eines fiktiven Einkommens bei Unterhaltspflichtigem, der über keine qualifizierte Berufsausbildung verfügt.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Wuppertal (Beschluss vom 29.04.2005; Aktenzeichen 64 F 71/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des AG - FamG - Wuppertal vom 29.4.2005 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Der Beklagten wird für das Hauptverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. in W. bewilligt, soweit sie sich dagegen wendet, an die Klägerin von Oktober 2004 bis Juni 2005 mehr als monatlich 205 EUR und ab Juli 2005 mehr als monatlich 155 EUR Unterhalt zu zahlen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
Die Klägerin ist die Tochter der Beklagten. Sie nimmt ihre Mutter i.H.v. 100 % des Regelbetrages auf Unterhalt in Anspruch. Den Antrag der Beklagten, ihr für die Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat das AG - FamG - Wuppertal durch Beschluss vom 29.4.2005 zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten ist teilweise begründet.
Die Beklagte schuldet der minderjährigen Tochter Unterhalt gem. §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 1 BGB. Sie ist gesteigert unterhaltspflichtig und deshalb verpflichtet, eine höher dotierte Stellung zu suchen, um den Unterhalt nach der ersten Stufe der Düsseldorfer Tabelle zu decken. Ihrer diesbezüglichen Erwerbsobliegenheit kommt sie nur ungenügend nach. Die dargelegten Bewerbungsbemühungen sind ersichtlich unzureichend. Auch körperliche Beeinträchtigungen, die sie daran hindern könnten, eine höher dotierte Tätigkeit zu ergreifen, sind nicht hinreichend dargelegt.
Da die Beklagte aber nicht über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügt, kann ihr lediglich ein bereinigtes Nettoeinkommen i.H.v. 1.045 EUR fiktiv zugerechnet werden. Der Senat geht bei ungelernten Arbeitskräften regelmäßig von einem erzielbaren Monatseinkommen von 1.640 EUR brutto (164 Stunden × 10 EUR/Stunde) aus. Bei Steuerklasse I und 0,5 Kinderfreibeträgen entspricht dies etwa 1.100 EUR netto, von denen nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen 1.045 EUR verbleiben. Gründe für eine abweichende Beurteilung sind vorliegend nicht hinreichend dargetan. Dies führt bei einem Selbstbehalt von 840 EUR bzw. - ab Juli 2005 890 EUR - zu einer Leistungsfähigkeit von lediglich 205 EUR bzw. 155 EUR monatlich. Bezüglich der darüber hinausgehenden Beträge bietet die Rechtsverteidigung der Beklagte hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1568683 |
FamRB 2007, 7 |
OLGR-Mitte 2006, 766 |
www.judicialis.de 2006 |