Leitsatz (amtlich)
RVG §§ 42 Abs. 1, 14,
GWB § 83
Leitsätze
1.
Bei Unzumutbarkeit der Wahlverteidigerverteidigergebühren kann dem Verteidiger in Kartellbußgeldverfahren stattdessen eine Pauschgebühr gewährt werden.
2.
Die Zumutbarkeitsprüfung erfolgt unter Berücksichtigung der in § 14 RVG für die Bemessung der Rahmengebühr maßgeblichen Kriterien, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit. Bußgeldverfahren, die erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht verhandelt werden, sind in der Regel bedeutend.
Oberlandesgericht Düsseldorf, 3. Strafsenat
Beschluss vom 19. April 2012 - III 3 RVGs 11/12
Tenor
Die mitunterzeichnende Einzelrichterin überträgt die Sache dem
Senat in der Besetzung mit drei Richtern, da dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 42 Abs. 3 Satz 2 RVG).
Dem Verteidiger wird anstelle der gesetzlichen Gebühren nach den Nummern 5100, 5111, 5112 in Verbindung mit Vorbem. (1) zu 5.1.3., und 5112 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zu dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eine Pauschgebühr in Höhe von 2.740 Euro bewilligt.
Bereits angewiesene gesetzliche Wahlverteidigergebühren sind anzurechnen.
Ansprüche auf Ersatz von Auslagen und von Umsatzsteuer bleiben unberührt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen, soweit nicht der Bundesgerichtshof darüber zu befinden hat.
Gründe
I.
Rechtsanwalt Dr. W. vertrat die Nebenbeteiligte in dem Kartellbußgeldverfahren als Wahlverteidiger. In dem Verfahren hatte das Bundeskartellamt durch Bußgeldbescheid vom 17. März 2005 eine Geldbuße in Höhe von 18.500.000 Euro sowie eine weitere in Höhe von 350.000 Euro gemäß § 30 OWiG festgesetzt. Tatvorwurf war, dass die damals verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Nebenbetroffenen ab 1999 bis 2002 an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Rahmen eines Kartells zur Festsetzung von Maßnahmen zu Prämienerhöhungen in der industriellen Sachversicherung bzw. Transportversicherung beteiligt gewesen seien. Nachdem die Nebenbetroffene seit dem 24. September 2007 mit der H.Versicherung - seitdem unter H. Versicherung AG (H) handelnd - verschmolzen war, richtete sich das Bußgeldverfahren gegen die H..
Das vorliegende Bußgeldverfahren gegen die Nebenbetroffene ist aus dem Verfahren VI-Kart 55/06 OWi abgetrennt worden, welches sich gegen 17 Beteiligte richtete.
Durch Urteil vom 13.Januar 2010 sprach der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Nebenbetroffene frei. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen wurden der Staatskasse auferlegt. Gegen dieses Urteil legte die Generalstaatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein, die durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. August 2011 als unbegründet verworfen wurde.
Mit Schriftsatz vom 21. November 2011 hat der Verteidiger beantragt, die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen mit 2.319,43 Euro festzusetzen und ihm darüber hinaus eine Pauschvergütung in Höhe von zusätzlich 4.426,80 Euro zu bewilligen. Der Verteidiger hat den Antrag damit begründet, dass die Sache schwierig und umfangreich gewesen sei. Das Verfahren habe nicht nur eine detailliert und umfangreiche Aufbereitung der komplexen kartellrechtlichen Tatvorwürfe zwischen 1999 und 2003, sondern darüber hinaus der umwandlungsrechtlichen Sachverhalte aus dem Jahr 2007 sowie ihre Würdigung unter § 30 OWiG und Art. 103 Abs. GG erfordert. Das Verfahren habe für die Nebenbeteiligte eine erhöhte Bedeutung gehabt habe wie bereits aus dem Umstand der festgesetzten Kartellbußen von 18,85 Millionen Euro ersichtlich.
Der Leiter des Dezernats 4 des Oberlandesgerichts hat beantragt, den Antrag des Verteidigers zurückzuweisen.
II.
Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG ist im tenorierten Umfang begründet.
Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers errechnen sich wie folgt:
Grundgebühr Nr. 5100 VV 150 Euro
Verfahrensgebühr Nr. 5111 VV 300 Euro
Terminsgebühr (Senatsbespr. am 19.11.2009) Nr. 5112 VV iVm Vorb.(1) zu 5.1.3. 470 Euro
Terminsgebühr (Hauptverhandlung am 13.01.2010) Nr. 5112 VV 470 Euro
Summe 1.370 Euro.
Bei diesen Gebühren handelt es sich jeweils um die Höchstbeträge der Rahmengebühren.
Der Bewilligung der Pauschgebühr von 2.740 Euro liegen folgende Berechnungsfaktoren zugrunde:
Nach § 42 Abs. 1 RVG wird dem gewählten Verteidiger auf Antrag eine Pauschgebühr für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte festgesetzt, wenn auf Grund des besonderen Umfanges oder der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren eines Wahlanwaltes nicht zumutbar sind.
Die Prüfung der Unzumutbarkeit schließt die Berücksichtigung der weiteren Umstände ein, die nach § 14 RVG bei der Bemessung der Rahmengebühren durch den Verteidiger maßgeblich sind, nämlich die Bedeutung der Angelegenheit, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers und das Haftungsrisiko. Denn nur dann kann beurteilt werden, ob der Höchstbetrag der Rahmengebühr für den Verteidiger nicht zumutbar ist. Eine Pauschgebühr nach ...