Leitsatz (amtlich)
1. Solange die zuständige Behörde trotz eines Verstoßes gegen Brandschutzvorschriften eine Nutzung des Mietobjekts (hier: Arztpraxis) duldet und der Gebrauch nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt ist, liegt ein Mangel nicht vor.
2. Die Äußerung des Vermieters, ein Mahnschreiben des Mieters mit Fristsetzung zur Mängelbeseitigung wirke wie eine Nötigung, stellt noch keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar.
3. Schimmelpilzbildung in einer Arztpraxis berechtigt zur Minderung, deren Höhe sich an deren Ausbreitung und dem gesundheitsgefährdenden Ausmaß bemisst.
4. Auf Schimmelpilzbildung in seiner Arztpraxis kann der Mieter eine fristlose Kündigung erst stützen, wenn der Vermieter nach Anzeige des Mangels nicht alsbald für Abhilfe sorgt.
Normenkette
BGB §§ 535-536, 543
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 10.12.2010; Aktenzeichen 1 O 266/09) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.12.2010 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen und klarstellend hinsichtlich der Verurteilung zu 2. wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 390,- und weitere EUR 40,- monatlich beginnend ab dem 6.6.2011 bis einschließlich Februar 2016 zu zahlen, zahlbar bis zum 3. Werktag eines jeden Monats, danach pro Jahr verzinslich mit 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen zu 13 % die Klägerin und zu 87 % der Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 5 % der Klägerin und zu 95 % dem Beklagten auferlegt.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 26.5.2011.
A. In diesem Beschluss hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
Das LG hat der auf Zahlung von rückständigem Mietzins, Schadensersatz und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage - bis auf die Fälligkeitsproblematik beim Antrag auf Ersatz zukünftigen Schadens (dazu unter I. 4. b.) - zutreffend stattgegeben.
Aufgrund der nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils eingetretenen Abrechnungsreife können die in dem genannten Gesamtbetrag von EUR 1.891,78 enthaltenen Anteile für die Nebenkostenvorauszahlung für das Jahr 2009 nicht mehr gefordert werden. Die Klägerin hat deshalb ihre Klage gem. § 264 Nr. 3 ZPO insoweit umgestellt und verfolgt nunmehr ihren Anspruch aus der Nebenkostenabrechnung vom 4.8.2010.
Im Übrigen rechtfertigt das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsbegründung vom 14.2.2011 und dem Schriftsatz vom 8.4.2011 keine abweichende Beurteilung.
I. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte zur Mietzinszahlung verpflichtet ist. Denn der Mietvertrag bestand bis zu seiner einvernehmlichen Aufhebung in dem Zwischenvergleich des LG Kleve vom 7.6.2010 unverändert fort. Der Beklagte war zuvor nicht berechtigt, das Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB lagen nicht vor.
1. Die vom Beklagten gerügten Verstöße gegen zwingende Brandschutzvorschriften stellen keine Mängel gem. § 536 Abs. 1 BGB dar. Hiervon ist das LG zutreffend ausgegangen. Die vom Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung stützen sie somit nicht.
a. Ein Verstoß gegen behördliche Vorschriften führt nicht automatisch zur Annahme eines Mangels gem. § 536 Abs. 1 BGB wegen unterlassener Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs. Voraussetzung ist vielmehr, dass die fehlende Übereinstimmung mit gesetzlichen Bestimmungen eine Aufhebung oder erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch zur Folge hat. Eine solche liegt regelmäßig nur dann vor, wenn die zuständige Behörde eine Nutzung des Mietobjekts untersagt oder wenn ein behördliches Einschreiten insoweit ernstlich zu erwarten ist (vgl. BGH NJW 2009, 3421; ZMR 1971, 220; OLG Düsseldorf MDR 2010, 1244 f. m.w.N.; OLGR 2006, 716; s. auch Urt. v. 28.10.2010 - I-24 U 28/10, veröffentlich in Juris; OLG Düsseldorf - 10. Zivilsenat - DWW 2005, 235; DWW 2006, 240; GuT 2007, 217 f.; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rz. 285). Dies war hier nicht der Fall. Der Beklagte konnte seine Arztpraxis betreiben, ohne dass die Stadt R. wegen der (möglicherweise) bestehenden formellen oder materiellen Baurechtswidrigkeit eingeschritten wäre oder dies gedroht hätte. Soweit die Stadt R. unter dem 2.9.2009 darauf verwies, dass das Treppenhaus nicht den Vorschriften der aktuellen Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NW) entspräche, enthält dies keine Androhung einer ordnungsbehördlichen Maßnahme bzw. eine Fristsetzung zur Beseitigung, nach deren Ablauf eventuelle Maßnahmen gedroht hätten. Deshalb war bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit bzw. der Durchführung von Baumaßnahmen von einer Duldung der Nutzung auszugehen. Entsprechendes folgt aus dem Schreiben der Stadt R. vom 28.10.2010. Nachdem die Klägerin entsprechende Umbaumaßnahmen durchgeführt hatte, bestäti...