Leitsatz (amtlich)
1. Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung dient in besonders intensiver Weise der Sanierung (§§ 270 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3, 270b InsO).
2. An die Stelle einer analogen Anwendung der §§ 662 BGB, 115, 116 Satz 1 InsO tritt die Möglichkeit der Vertragsbeendigung durch Parteierklärung, insbesondere der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 297 Abs. 1 AktG.
3. Ob daneben ein insolvenzrechtliches Sonderkündigungsrecht angenommen werden kann, muss nur in Fällen entschieden werden, in denen die Vertragsparteien über das Bestehen eines wichtigen Grundes nicht einig sind.
Normenkette
InsO § 270 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, § 270b
Verfahrensgang
AG Duisburg (Aktenzeichen HRB 26717) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Registergericht - Duisburg vom 24. Juni 2020 aufgehoben. Das Registergericht wird angewiesen, von den dort geäußerten Bedenken nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats Abstand zu nehmen.
Gründe
I. 2018 hielt sämtliche Geschäftsanteile an der betroffenen Gesellschaft die Beteiligte. Zwischen dieser als Obergesellschaft und der betroffenen GmbH als Untergesellschaft wurde am 25. Juni 2010 ein - unter dem 9. Dezember 2014 geänderter - Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag geschlossen, was in das Handelsregister eingetragen wurde. Über beide Gesellschaften wurde durch Beschlüsse des Amtsgerichts Duisburg vom 1. November 2018 das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet; bestellt wurde derselbe Sachwalter.
Am 8. November 2018 hielten beide GmbH (je) eine Gesellschafterversammlung ab und fassten unter Hinweis auf die Anordnung der Eigenverwaltung und die Bestellung des Sachwalters jeweils den Beschluss:
"Die Parteien sind sich einig, dass mit Eröffnung des Verfahrens der bestehende Ergebnisabführungsvertrag beendet wird. Vorsorglich einigen sich die Parteien auf eine Aufhebung des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages mit Wirkung zum 01.11.2018."
Ferner wurden die Geschäftsführer der jeweiligen Gesellschaft angewiesen, mit der jeweils anderen GmbH einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Die Niederschrift unterzeichnete jeweils außer der Geschäftsführung beider GmbHs der Sachwalter. Noch am 8. November 2018 trafen die beiden Gesellschaften eine Vereinbarung, die unter anderem die Einigkeit über die Vertragsbeendigung mit Verfahrenseröffnung wiederholte und fortfuhr: "Rein vorsorglich beschließen die Parteien die Aufhebung des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 01.11.2018.".
In der Folgezeit wurde nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Fortsetzung der betroffenen Gesellschaft im Register eingetragen.
Mit öffentlich beglaubigter Erklärung vom 17. März 2020 haben die hier betroffene Untergesellschaft sowie vorsorglich die Beteiligte zu deren Registerblatt zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet:
"Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag vom 25. Juni 2010, geändert am 9. Dezember 2014 wurde mit Wirkung zu 1. November 2018 aufgehoben."
Mit der angegriffenen Zwischenverfügung hat das Registergericht beanstandet, zum einen sei eine Vertragsbeendigung nicht am 1. November 2018 eingetreten und komme nicht rückwirkend, sondern nur zum 8. November 2018 in Betracht; zum anderen bedürfe es für die vereinbarte Aufhebung eines notariell beurkundeten Zustimmungsbeschlusses der betroffenen Gesellschaft.
Gegen diesen ihr am 30. Juni 2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte mit ihrem am 30. Juli 2020 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, dem das Registergericht mit weiterem Beschluss vom 4. August 2020 nicht abgeholfen und bezüglich dessen es die Vorlage an das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht verfügt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakten Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel der - beschwerdeberechtigten, da jedenfalls in ihrem Individualrecht aus dem Unternehmensvertrag beeinträchtigten - Beteiligten ist gemäß §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 ff FamFG als befristete Beschwerde zulässig und infolge der ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen. Es hat auch in der Sache Erfolg; die vom Registergericht angeführten Eintragungshindernisse bestehen nach Auffassung des Senats nicht.
1. Die Handelsregisteranmeldung ist auslegungsbedürftig, aber auch auslegungsfähig.
Indem sie allein den Beendigungstatbestand der Aufhebung des Vertrages anspricht, gibt sie - wie noch auszuführen sein wird - die Eintragungsunterlagen nur unvollständig wieder, ohne dass aus der Interessenlage ein Grund für eine derartige Beschränkung ersichtlich wäre. Interessengerecht erscheint, die Anmeldung dahin zu verstehen, dass die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages eingetragen werden soll und die Anmeldende sich hierfür auf jeden durchgreifenden Beendigungstatbestand, der sich aus den Eintragungsunterlagen ergibt, beruft.
2. Den Gesellschafterbeschlüssen sowie in deren Ums...