Leitsatz (amtlich)
1 Für Fälle des Behinderungsmissbrauchs eines Netzbetreibers sind gem. §§ 130 Abs. 3 GWB i.V.m. § 111 Abs. 1, 2 EnWG ausschließlich die Regulierungsbehörden und nicht die Kartellbehörden zuständig.
2. Von der Rüge der sachlichen Zuständigkeit gem. § 55 Abs. 1 GWB wird nicht nur das Zuständigkeitsgefüge zwischen den Kartellbehörden, sondern auch das im Verhältnis zu den Regulierungsbehörden mit der Folge erfasst, dass eine entsprechende Rüge bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erhoben werden muss.
3.. Für Durchleitungen Dritter, die mit ihren Kunden Sonderverträge abgeschlossen haben, kann der Netzbetreiber nur die Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV erheben. Für die Vergleichbarkeit der Lieferung nach § 2 Abs. 6 Satz 1 KAV ist allein die materiell-rechtliche Kundenstruktur und damit die Definition der Kundengruppen nach § 1 Abs. 3, 4 KAV maßgeblich und nicht die Tarifstruktur des mit dem Netzbetreiber verbundenen Vertriebs.
Normenkette
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1, § 55 Abs. 1-2, § 130 Abs. 3; EnwG § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 111 Abs. 1-2; VwVfG § 44; KAV § 2 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 6
Verfahrensgang
BKartA (Beschluss vom 16.09.2009; Aktenzeichen B 10-11/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerden der Betroffenen und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 10. Beschlussabteilung des BKartA vom 16.9.2009 - B 10-11/09 - werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des BKartA zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf ... EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Betroffene wurde ... als kommunale Eigengesellschaft der Stadt X., der Beigeladenen, gegründet. Nachdem die frühere Konzessionsnehmerin, Y., ihr in der Folge einer gerichtlichen Auseinandersetzung das örtliche Gasverteilernetz und auch die bislang von ihr - der Y. - versorgten ... städtischen Tarifkundenvertragsverhältnisse übertragen hatte, nahm sie zum ... ihre Geschäftstätigkeit auf. Gegenstand des Unternehmens war zunächst nur die Gasversorgung einschließlich des Netzbetriebs, seit Mitte 2010 ist sie auch im Stromvertrieb tätig. Da es sich um eine Stadt mit nur ca. ... Einwohnern handelt, ist die Betroffene von der Verpflichtung zu rechtlichen und operationellen Entflechtung des Netzbetriebs nach §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 6 EnWG befreit.
Im Bereich der Gasversorgung ist sie seit der Netzübernahme - zunächst bis Juli 2012 - Grundversorger in X., ihr Marktanteil betrug 2007 und in den Folgejahren 2008 und 2009 um die ... %. Seit Mitte 2007 vertreibt sie Erdgas erfolgreich auch außerhalb von X., vor allem im Osten der Z. und im angrenzenden Kreis B.; dort hat sie seitdem ... Kunden geworben. Insgesamt versorgt sie damit mittlerweile ... Haushaltskunden, entsprechend steigerte sie ihre Umsatzerlöse. Ihr Geschäftsmodell ist es, den Kunden nur einen Tarif anzubieten, der verbrauchsabhängig verschiedene Tarifstufen vorsieht. Haushaltskunden bis zu einem Verbrauch von 100.000 kWh im Stadtgebiet X. versorgt sie ausschließlich im Wege der Grund- und Ersatzversorgung, die Kunden des Umlands versorgt sie über Sonderverträge.
Diese Tarifgestaltung für das städtische Versorgungsgebiet führte zu einer erheblichen Steigerung des Konzessionsabgabeaufkommens - ... EUR statt zuvor ... EUR lt. einem Bericht der Wochenzeitschrift ... vom ...; unstreitig war dies auch eines der Ziele der Kommunalisierung der Gasversorgung.
Der zwischen der Betroffenen und der beigeladenen Stadt im Jahr ... geschlossene Konzessionsvertrag enthält in § 7 Abs. 1 Regelungen zur Höhe der von der Betroffenen an sie zu zahlenden Konzessionsabgabe, die den Vorgaben des § 2 KAV an die Bemessung von Konzessionsabgaben und dem zulässigen Höchstbetrag entsprechen. Die Konzessionsabgabenverordnung differenziert zwischen Konzessionsabgaben für Tarifkunden (0,61 ct./kWh bei reinen Kochgaskunden und 0,27 ct./kWh bei Heizgaskunden in Gemeinden bis 100.000 Einwohnern) und Konzessionsabgaben für Sondervertragskunden i.H.v. 0,03 ct./kWh.
§ 7 Abs. 2 des Konzessionsvertrages lautet: "Sofern Letztverbraucher im Wege der Durchleitung von Dritten Gas geliefert erhalten, wird die C. die Konzessionsabgabe dem Durchleitungsentgelt hinzurechnen, das die C. mit Dritten als Entgelt für die Netznutzung vereinbaren wird. Die C. wird für diese Lieferung von Dritten die Konzessionsabgabe an die Stadt in derselben Höhe zahlen, wie für eine unmittelbare Versorgung durch die C. zu zahlen wäre." Inhaltlich entspricht dies der Regelung des § 2 Abs. 6 KAV.
Die Betroffene hat wie folgt abgerechnet:
Für alle von ihr versorgten Kunden ihres Netzgebiets, die sie unterhalb einer Abnahmemenge von 100.000 kWh pro Jahr beliefert, brachte sie zunächst generell die erhöhte Konzessionsabgabe für Tarifvertragskunden (0,61 Cent bei reinen Kochgaskunden/kWh bzw. 0,27 Cent/kWh bei Heizgaskunden) in Ansatz.
Soweit sie für dritte Ver...