Nachgehend

BGH (Beschluss vom 18.06.2012; Aktenzeichen X ZB 9/11)

 

Tenor

I.

Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist zulässig.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

II.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf vorzeitige Gestattung des Zuschlages wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wurde 2010 von ihrer alleinigen Gesellschafterin, der Stadt V..., zum Zwecke der "Übernahme kommunaler Entsorgungs- und Straßenreinigungsaufgaben als Erfüllungsgehilfe der Stadt V..." gegründet. Unter dem 22. Februar 2011 schlossen die Stadt V... und die Antragsgegnerin einen "Konzessionsvertrag" mit dem Ziel, die Aufgabe der Erfassung der Abfälle und deren Überlassung an den Kreis als Dienstleistungskonzession zu übertragen, wobei die öffentlich-rechtliche Verantwortung als Aufgabenträger bei der Stadt V... verbleiben sollte (so die Präambel). Nach 2.1 des Vertrages gewährte die Stadt V... der Antragsgegnerin für das gesamte Stadtgebiet das alleinige Recht, die zur Durchführung der Abfallsatzung erforderlichen Dienstleistungen auszuführen, wobei lediglich die hoheitlichen Maßnahmen davon ausgenommen bleiben sollten. 2.4 des Konzessionsvertrages sah die Berechtigung der Antragsgegnerin vor, Rechte und Pflichten des Vertrages ganz oder teilweise auf Dritte zu übertragen, insbesondere eine Unterkonzession zu erteilen. Nach 3. des Vertrages war die Antragsgegnerin verpflichtet, die zur Umsetzung der Abfallsatzung erforderlichen Leistungen zu erbringen. Die Stadt V... verpflichtete sich, den Anschluss- und Benutzungszwang aufrechtzuerhalten. In 5. hieß es:

5.1 [Die Antragsgegnerin] nutzt die Konzession zur Erzielung von Einnahmen nach Maßgabe folgender Bestimmungen. Diese sollen der [Antragsgegnerin] eine auskömmliche finanzielle Grundlage für die dauerhafte Durchführung der vertragsgegenständlichen Aufgaben gewährleisten. Sie sind von [der Antragsgegnerin] verursachungs- und kostengerecht und für das Konzessionsgebiet einheitlich zu gestalten.

5.2 [Die Antragsgegnerin] hat die von ihr zu erhebenden Entgelte so zu berechnen, dass deren Höhe die nach den preisrechtlichen Vorschriften (VOPR 30/53 in Verbindung mit den Leitsätzen zur Selbstkostenpreisermittlung bei öffentlichen Aufträgen) zulässigen Ansätze nicht überschreitet. …

5.3 Vergibt [die Antragsgegnerin] diese Konzession ganz oder teilweise an einen Unterkonzessionär, hat sie diesem die Pflichten nach 5.2 aufzuerlegen.

Nach 6. hatte die Antragsgegnerin eine Konzessionsabgabe an die Antragstellerin zu zahlen. Die Dauer der Konzession war nicht begrenzt, der Vertrag aber kündbar.

Dem vorausgegangen waren Beratungen innerhalb der Stadt V... zur Neuorganisation der Abfallbeseitigung. Ausweislich einer Beratungsunterlage für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt V... (II.1.-6. der Vergabeunterlagen) sollte die Vergabe von Konzessionen dazu dienen, eine europaweite Ausschreibung zu vermeiden, eine stärkere Einflussnahme bei der Auswahl des künftigen Entsorgungsunternehmens zu sichern und anderen Gebietskörperschaften die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme einzuräumen. Für die Vergabe einer (Unter-) Konzession gälten die strengen Spielregeln des Vergaberechts nicht.

Die Antragsgegnerin veröffentliche sodann Ende 2011 in verschiedenen Zeitungen der Umgebung eine "Freiwillige EU-weite Bekanntmachung und Aufforderung zur Bewerbung und Teilnahme am Verfahren" zur Vereinbarung einer "Dienstleistungskonzession im Verhandlungsverfahren". Diese betraf eine "Unterkonzession für Sammlung und Transport von Satzungsabfällen der Stadt V...". Weiter hieß es in der Bekanntmachung (Bl. III/10 der Vergabeunterlagen):

Die Gegenleistung besteht in der Erteilung der Berechtigung, von den satzungsunterworfenen Nutzern der öffentlichen Einrichtung "Abfallentsorgung" Entgelte zu erheben.

Bietergemeinschaften und der Einsatz von Nachunternehmern waren nicht zugelassen. U.a. war die Vorlage einer Versicherung notwendig, Tariflöhne zu zahlen. Die Vergabe sollte im Wege eines Verhandlungsverfahrens erfolgen.

Einer Sitzungsvorlage der Stadt V... (Bl. II.7-12) zufolge sollte der Unterkonzessionsvertrag im Wesentlichen dem Konzessionsvertrag entsprechen, wobei die Entgeltordnung des Unterkonzessionärs der Genehmigung der Antragsgegnerin bedürfen sollte. Die Entgelte des Unterkonzessionärs sollten im Wege der Geschäftsbesorgung durch die Antragsgegnerin - wohl zusammen mit den Gebührenbescheiden der Stadt V... - eingezogen werden.

Die Antragstellerin rügte die Unzulässigkeit des Verfahrens sowie der Vergabebestimmungen zum Verbot von Bietergemeinschaften und Nachunternehmern sowie zur Verpflichtung zur Zahlung von Tariflöhnen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Vergabe einer Dienstleistungskonzession sei mit § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG (Übertragung der Erfüllung der Aufgaben auf Dritte) nicht vereinbar. Diese Vorschrift gestatte lediglich die Vergabe eines Dienstleistungsauftrages, der Dritte könne nämlich keine Entgelte von den Nutzern erheben, dies sei vielmehr der Gemeinde vorbehalten. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge