Leitsatz (amtlich)
Verfügen der Erblasser und seine vorverstorbene erste Ehefrau, die fünf Kinder haben, in einem gemeinschaftlichen Testament, mit welchem sie einander zu Alleinerben einsetzen, "Nach unserer beider Tod soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten." und setzt der Erblasser sodann in einem späteren notariellen Testament seine zweite Ehefrau zu 1/2 Anteil und die Kinder zu je 1/10 Anteil zu seinen Erben ein, so steht der Erteilung eines dem notariellen Einzeltestament entsprechenden Erbscheins eine Bindungswirkung durch das frühere gemeinschaftliche Testament nicht entgegen, weil die Einsetzung der "gesetzlichen Erben" als Schlusserben durch den überlebenden Erblasser im Verhältnis zu dessen Einsetzung als Alleinerbe der vorverstorbenen Ehefrau nicht als wechselbezüglich im Sinne von § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 242, 2066, 2269-2270, 2271 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Krefeld (Aktenzeichen 45K VI 145/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4 und 5 vom 27. Sept. 2019 wird der Beschluss des Nachlassgerichts Krefeld vom 23. Aug. 2019 aufgehoben.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1 den mit Erbscheinsantrag vom 5. April 2019 beantragten Alleinerbschein zu erteilen.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Erbscheinsverfahrens trägt die Beteiligte zu 1.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 4 und 5.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet weder im Erbscheinsverfahren noch im Beschwerdeverfahren statt.
Beschwerdewert: bis 100.000 EUR
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 ist die zweite Ehefrau des Erblassers, die Beteiligten zu 2 bis 6 sind Kinder aus der Ehe des Erblassers und seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau. Nach deren Geburtsdaten hat eines der Kinder vermutlich eine andere Mutter.
Am 11. Okt. 1998 hatten der Erblasser und seine erste Ehefrau sich in einem gemeinschaftlichen privatschriftlichen Testament gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt.
Weiter hatten sie bestimmt:
"Nach unserer beider Tod soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten."
Nach dem Tode seiner ersten Ehefrau heiratete der Erblasser im Oktober die Beteiligte zu 1. Er errichtete am 4. April 2014 ein notarielles Testament, in dem er verfügte, zu seinen Erben setze er die Beteiligte zu 1 zu 1/2 Anteil und die Beteiligten zu 2 bis 6 zu je 1/10 Anteil ein. Weiter ordnete er Testamentsvollstreckung zur Abwicklung seines Nachlasses an.
Die Beteiligte zu 1 beantragte die Erteilung eines diesem notariellen Testament vom 4. April 2014 entsprechenden Erbscheins.
Einzig die Beteiligte zu 4 ist dem Erbscheinsantrag mit der Begründung entgegengetreten, ihrer Mutter sei es auf die gesetzliche Erbfolge angekommen. Daher sei das Testament vom 4. April 2014 unwirksam und allen Beteiligten ein gemeinsamer Erbschein zu erteilen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Erbscheinsantrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Bei den letztwilligen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vom 11. Okt. 1998 handele es sich um bindende wechselbezügliche Bestimmungen. Daher sei der Erblasser gehindert gewesen, die dort festgelegte Erbfolge im notariellen Testament vom 4. April 2014 zu ändern. Daher sei gesetzliche Erbfolge nach dem Testament vom 11. Okt. 1998 eingetreten. Das bedeute jedoch auch, dass die zweite Ehefrau des Erblassers Erbin geworden und der Erbschein - wie beantragt (sic!) - zu erteilen sei.
Die Beteiligten zu 4 und 5 beschweren sich und bitten um Zurückweisung des Erbscheinsantrages.
Die Lebenserfahrung zeige, dass Ehepartner, die ein Testament wie das vom 11. Okt. 1998 errichteten und langjährig verheiratet und im Alter der Testierenden seien, davon ausgingen, dass eine Wiederverheiratung des Überlebenden nicht stattfinden werde bzw. sie eine solche Möglichkeit nicht ins Kalkül zögen. Vielmehr würden sie davon ausgegangen sein, dass der Überlebende unverheiratet bleibe. Hinzu komme im vorliegenden Fall die tiefe Religiosität der ersten Ehefrau. Diese hätte nicht - wie geschehen - testiert, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass mit der Verwendung des Begriffs "gesetzliche Erbfolge" eine Wiederverheiratung des Überlebenden dazu führe, dass der neu hinzugekommene Ehegatte ebenfalls einen Erbanspruch erhalte und das Erbe der bereits vorhandenen Kinder durch die Wiederheirat geschmälert werde.
Auch des Testaments vom 4. April 2014, dessen Inhalt zufällig der gesetzlichen Erbfolge entspreche, hätte es nicht bedurft, wenn diese bereits so im Testament vom 11. Okt. 1998 verfügt worden wäre.
Die Beteiligte zu 1 hat entgegnet, dem Erblasser sei die korrekte Reglung aller Angelegenheiten wichtig gewesen; deshalb habe er sich beraten lassen und im Vorfeld ausdrücklich kommuniziert, dass er genau dieselbe Regelung wolle, wie er sie mit seiner ersten Frau verfügt habe, nämlich die gesetzliche Erbfolge. Auf notariellen Rat habe er 2014 ein neues Testament errichtet, welches - bis auf die Anordnung der Testam...