Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit von § 15a RVG
Normenkette
RVG § 15a
Verfahrensgang
AG Kleve (Beschluss vom 01.07.2009) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Kleve vom 1.7.2009 dahin abgeändert, dass der Klägerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus Emmerich am Rhein Prozesskostenhilfe auch bewilligt wird, soweit sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Verzugsschaden i.H.v. 649,74 EUR zu zahlen.
Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Gründe
Die Auffassung des AG, dass soweit die geltend gemachte PKH-Verfahrensgebühr angefallen sein könne, diese der Anrechnung mit der zuvor entstandenen Geschäftsgebühr unterliege, hält in Ansehung der am 4.8.2009 verkündeten Neuregelung des § 15a RVG (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften, BT-Drucks. 16/12717; BGBl. I, 2470) einer Überprüfung nicht stand. § 15a RVG, der gem. Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten ist, lautet:
§ 15a RVG Anrechnung einer Gebühr
(1) Sieht dieses Gesetzes die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
In § 15a Abs. 1 RVG wird das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber geregelt. Es wird klargestellt, dass aufeinander anzurechnende Gebühren zunächst unabhängig voneinander in voller Höhe ungekürzt entstehen. Der Anwalt kann grundsätzlich jede abzurechnende Gebühr in voller Höhe geltend machen. Allerdings bewirkt die Zahlung einer Gebühr, dass im Umfang der Anrechnung die andere Gebühr erlischt. Der Anwalt kann nicht beide Gebühren verlangen, sondern insgesamt nur den um die Anrechnung verminderten Gesamtbetrag.
Die Vorschrift des § 15a Abs. 2 RVG betrifft sowohl die Kostenerstattung als auch die Prozesskostenhilfe-Abrechnung. Ein erstattungspflichtiger Dritter kann sich auf die Anrechnung nur dann berufen, wenn er die anzurechnende Gebühr bereits selbst gezahlt hat oder wenn diese gegen ihn tituliert worden ist. Dann darf sie im Umfang der Anrechnung nicht nochmals tituliert werden (NJW-Spezial 2009, 349). In der Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 5.8.2009 heißt es, dass mit dem neuen § 15a RVG der Gesetzgeber die Probleme beseitige, die in der Praxis auf Grund von Entscheidungen des BGH zur Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr aufgetreten seien. Das Vergütungsrecht habe danach die vorgerichtliche Streiterledigung durch Rechtsanwälte behindert. Dieses Ergebnis sei nicht sachgerecht gewesen und habe den Vorstellungen von einer sinnvollen Rechtsanwaltsvergütung und Justiz widersprochen. Mit der "Gesetzesänderung" sei das Problem gelöst und der Begriff der Anrechnung durch den Gesetzgeber "geklärt" worden (Erläuterungen der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries). Durch das neue Gesetz werde die Wirkung der Anrechnung sowohl im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant als auch gegenüber Dritten, also insbesondere im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren, ausdrücklich geregelt. Insbesondere sei klargestellt, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirke. In der Kostenfestsetzung müsse eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden sei, die auf sie angerechnet werde. Sichergestellt werde jedoch, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz oder Erstattung in Anspruch genommen werden könne, den der Rechtsanwalt von seinem Mandanten verlangen könne.
Nachdem in § 15a RVG keine Gesetzesänderung gesehen werden muss, sondern eine vom Gesetzgeber gewollte "Klarstellung" für die Anrechnung von Gebühren, um die durch die BGH-Rechtsprechung entstandenen vielfältigen Probleme in Bezug auf die Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu beheben, begegnet es keinen Bedenken, die seit dem 5.8.2009 in Kraft getretene Vorschrift des § 15a RVG auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" wie den vorliegenden anzuwenden (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.8.2009 - 8 W 339/09 - zitiert nach juris).
Nach der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint es deshalb zumindest möglich, dass die Klägerin mit ihrem Begehren durchdringen wird. Dies ist zur Bejahung der Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO ausreichend (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 114 Rz. 19).
Fundstellen
Haufe-Index 2224253 |
RVGreport 2009, 429 |
OLGR... |