Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob die Unterlagen vollständig i.S.d. § 23 Abs. 4 S. 2 EnWG sind, kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung an. Bezogen auf diesen Zeitpunkt hat der Antragsteller die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen darzulegen und zu beweisen. Die Darlegung und der Beweis der Voraussetzungen des § 23a Abs. 4 S. 3 Nrn. 1 und 2 EnWG obliegen hingegen grundsätzlich der Regulierungsbehörde.

2. Streiten der Antragsteller und die Regulierungsbehörde über die Frage, ob die Genehmigung der beantragten Entgelte für den Netzzugang gem. § 23a Abs. 4 S. 2 EnWG fingiert worden ist, und setzt die Regulierungsbehörde die Entgelte anderweitig fest, so liegt darin im Zweifel auch ein Widerruf der etwaig fingierten Genehmigung.

3. Letztes abgeschlossenes Geschäftsjahr i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 5 StromNEV ist das letzte vor der Antragstellung beendete Geschäftsjahr. Auf den Zeitpunkt des Erlasses der beantragten Entscheidung kommt es nicht an.

 

Normenkette

EnWG § 23a Abs. 4 S. 2; EnWG § 23a S. 3; StromNEV § 3 Abs. 1 S. 5

 

Tenor

Auf Antrag der Antragstellerin wird die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 6.6.2006 (BK 8-05/019) insoweit angeordnet, als der Antragstellerin aufgegeben worden ist, die von ihr in der Zeit vom 1.11.2005 bis 30.6.2006 erzielten Mehrerlöse zu berechnen und kostenmindernd in der nächsten Kalkulationsperiode (ab 1.7.2007) zu berücksichtigen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin ist einer der vier deutschen Stromübertragungsnetzbetreiber i.S.d. Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) vom 7.7.2005 (BGBl. I, 1970). Ihr Netzgebiet umfasst die neuen Bundesländer sowie Berlin und Hamburg. Ursprüngliche Übertragungsnetzbetreiber in diesen Bereichen waren das V. AG (V.), die H. AG (H.) und die B. (B.)-Aktiengesellschaft (B.), die von der Antragstellerin ab dem Jahre 2000 übernommen wurden. Die Übertragungsnetze der H. und der B. waren bis zum 31.12.2005 an die Antragstellerin verpachtet.

Mit Schreiben vom 28.10.2005, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 31.10.2005, hat die Antragstellerin die Genehmigung der kostenorientierten Entgelte für den Stromnetzzugang gem. § 23a EnWG beantragt. Durch Beschluss vom 6.6.2006, der Antragstellerin zugestellt am 7.6.2006, hat die Antragsgegnerin dem Antrag nur teilweise entsprochen. Sie hat die angemeldeten Netzkosten um 17,94 % gekürzt und die auf dieser Grundlage abgesenkten Netzzugangsentgelte unter dem Vorbehalt des Widerrufs bis zum 31.12.2006 genehmigt. Ferner hat sie der Antragstellerin aufgegeben, die in der Zeit vom 1.11.2005 bis 30.6.2006 im Vergleich zur genehmigten Entgelthöhe erzielten Mehrerlöse zu berechnen und kostenmindernd in der nächsten Kalkulationsperiode ab 1.1.2007 zu berücksichtigen.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 16.6.2006 eingereichten Beschwerde. Daneben beantragt sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und macht hierzu geltend: Schon bei summarischer Prüfung ergebe sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses. Seit dem 3.5.2006 verfüge sie über eine gem. § 23a Abs. 4 S. 2 EnWG fingierte Entgeltgenehmigung, weil die Antragsgegnerin innerhalb von sechs Monaten nach Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen keine Entscheidung über ihren Antrag getroffen habe. Einen Widerruf der fingierten Genehmigung habe die Antragsgegnerin weder ausdrücklich noch konkludent erklärt, auch nicht im Rahmen der angefochtenen Entscheidung. Jedenfalls sei das Genehmigungsverfahren mit der fingierten Genehmigung beendet worden, so dass kein bescheidungsfähiger Antrag mehr vorliege. Davon abgesehen ergebe sich die Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 6.6.2006 aus Rechtsmängeln des von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Prüfrasters und der Fehlerhaftigkeit der konkreten Prüfungsfeststellungen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss anzuordnen,

2. hilfsweise, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss teilweise anzuordnen, soweit die mit dem Beschluss genehmigten Netzentgelte die im Schreiben vom 28.10.2005 in Anlage 1 zu diesem Schreiben beantragten Netzentgelte unterschreiten,

3. weiter hilfsweise,

a) die Antragsgegnerin im Wege der vorläufigen Anordnung zu verpflichten, die mit Schreiben vom 28.10.2005 beantragte Entgeltgenehmigung vorläufig, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu erteilen,

b) hilfsweise zu a),

im Wege der vorläufigen Anordnung die mit Schreiben vom 28.10.2005 beantragten Netzentgelte vorläufig, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, festzusetzen,

4. weiter hilfsweise, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bezüglich der im Tenor 4 des angefochtenen Beschlusses geregelten Auflage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin b...

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