Leitsatz (amtlich)
1. Der Anwaltsdienstvertrag mit dem scheidungswilligen Ehegatten entfaltet keine Schutzwirkung für dessen künftigen Ehegatten.
2. Der Rechtsanwalt kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er das Ehescheidungsverfahren so zögernd betreibt, dass dem scheidungswilligen Ehegatten, der alsbald eine neue Ehe eingehen will, daraus resultierende steuerliche Vorteile entgehen.
Normenkette
BGB §§ 328, 675
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 5 O 532/05) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich Stellung zu nehmen, insbesondere die Berufung zurückzunehmen.
2. Der für den 27.2.2007 geplante Senatstermin entfällt.
Gründe
Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die gegen den beklagten Rechtsanwalt gerichtete Klage auf Schadensersatz (9.634 EUR nebst gesetzlicher Zinsen) zu Recht abgewiesen. Die vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine günstigere Entscheidung. Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren sind erfüllt. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
1. Zutreffend ist der rechtliche Ansatz des LG, der Kläger habe gegen den Beklagten keinen eigenen Schadensersatzanspruch aus Vertrag. Eine vertragliche Haftung kann grundsätzlich nur der Vertragspartner in Anspruch nehmen. Vertragspartner (Mandant) des Beklagten war aber nicht der Kläger, sondern Frau M.-B. (im Folgenden: Zedentin), deren Ehescheidung der Beklagte erwirken sollte (22 F 935/02S AG Weilburg). Der Kläger war auch nicht als Dritter in dieses Mandatsverhältnis einbezogen. Von einem solchen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) immer dann auszugehen, wenn der Schuldner bei Vertragsschluss die bestimmungsgemäße oder vertragstypische Leistungsnähe des Dritten und das Einbeziehungsinteresse des Gläubigers kennt oder wenigstens erkennen kann und der Dritte in gleicher Weise wie der Gläubiger schutzbedürftig ist, insbesondere mangels eigener vertraglicher Ansprüche etwa gegen den Gläubiger des fremden Vertrags ohne Einbeziehung in das fremde Vertragsverhältnis leer ausginge (vgl. BGH v. 7.11.1984 - VIII ZR 182/83, MDR 1985, 400 = NJW 1985, 489 und 2411; NJW 2004, 3630 sub Nr. II. 2a; Senat v. 29.10.1996 - 24 U 210/95, NJW-RR 1997, 1314; ferner Urt. v. 12.9.2006 - I-24 U 63/05 S. 7 f. des Umdrucks sub Nr. I.1b, aa [z. V. b.]; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 328 Rz. 14 ff. m.w.N.; Zugehör, Berufliche "Dritthaftung", NJW 2000, 1601, 1603 f.; ders., Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rz. 1383 ff. m.w.N.).
2. Es fehlt schon an der Leistungsnähe des Klägers zur behaupteten Fehlleistung des Beklagten. Drittbezogenheit im Bereich der steuerrechtlichen Beratung ist von der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung stets nur innerhalb des familiären Verbandes (z.B. Ehegatten, Kinder) oder im Rahmen besonderer vertraglicher Beziehungen zwischen dem Dritten und dem Mandanten (z.B. Gemeinschaft, Gesellschaft) bejaht worden (vgl. die Nachw. bei Zugehör, Berufliche "Dritthaftung", NJW 2000, 1601, 1603 f.). Der Kläger hatte während des umstrittenen Mandats zu der Zedentin weder familienrechtliche noch relevante vertragliche Beziehungen. Seine Absicht, die Zedentin nicht zuletzt der steuerlichen Vorteile wegen (Inanspruchnahme des Ehegattensplittings schon für das Veranlagungsjahr 2003) möglichst frühzeitig zu ehelichen, steht unter keinem rechtlichen Schutz. Wegen der noch nicht aufgelösten früheren Ehe der Zedentin war nicht nur eine Eheschließung mit ihr verboten (§ 1306 BGB), sondern auch ein Verlöbnis mit ihr (§ 1297 Abs. 1 BGB) wäre sittenwidrig und nichtig gewesen, § 138 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Karlsruhe v. 13.1.1988 - 6 U 202/86, NJW 1988, 3023; BayObLG v. 17.12.1982 - RReg.1 St 272/82, MDR 1983, 509 = NJW 1983, 831). Vermögensnachteile aus der (angeblich) verzögerten Ehescheidung zu Lasten des Beklagten sind nicht mehr als ein Reflex. Hierin unterscheidet sich der Streitfall maßgeblich von dem Fall des Standesbeamten, durch dessen schuldhaft zögerliche Amtsausübung die beabsichtigte Eheschließung infolge des Todes des einen Verlobten verhindert wurde, wodurch der überlebende (drittgeschützte) Verlobte einen Vermögensschaden (entgangene gesetzliche Erbfolge, Rentenansprüche) erlitten hat (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 839 Rz. 141 m.w.N.; vgl. auch BGH v. 19.2.2002 - VI ZR 190/01, BGHReport 2002, 544 = MDR 2002, 637 = NJW 2002, 1489, wo festgestellt ist, dass der nichteheliche Vater trotz seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags zwischen der schwangeren Patientin und der...