Leitsatz (amtlich)
Verzichten Eheleute in einem während einer Ehekrise geschlossenen notariellen Ehevertrag mit Blick auf ihre demnächst aufzulösende häusliche Gemeinschaft und eine etwaige Scheidung auf ihre "gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte am dereinstigen Nachlass" des Erstversterbenden und bestimmen sie, dass die getroffenen Vereinbarungen mit dieser Maßgabe sowohl die Zeit in der sie in Zukunft "getrennt leben sollten", als auch den Fall der Ehescheidung regeln, so greift der in der Urkunde erklärte Erbverzicht nicht, wenn sich die Eheleute erst scheiden lassen und sodann erneut heiraten.
Normenkette
BGB § 157
Verfahrensgang
AG Mönchengladbach (Beschluss vom 09.01.2017; Aktenzeichen 15 VI 914/16) |
Tenor
Der Beschluss des AG Mönchengladbach vom 9.1.2017 (Az.: 15 VI 914/16) wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist die Witwe des Erblassers, die Beteiligte zu 2) ist eine seiner beiden Töchter.
Der Erblasser heiratete die Beteiligte zu 1) erstmals am 29.5.1974.
Als es zwischen den Eheleuten kriselte, schlossen diese am 14.1.1999 einen Ehevertrag (UR. Nr. 77/1999, Notar Dr. H. C., Mönchengladbach-Odenkirchen).
In der Vorbemerkung zu diesem Vertrag (GA 13 ff.) heißt es:
"Wir werden unsere häusliche Lebensgemeinschaft demnächst auflösen und tragen uns mit dem Gedanken, uns scheiden zu lassen.
Im Hinblick auf eine etwaige Scheidung unserer Ehe treffen wir die folgenden Vereinbarungen. (...). Mit dieser Maßgabe regeln die Vereinbarungen sowohl die Zeit, in der wir in Zukunft getrennt leben sollten, als auch den Fall der Ehescheidung.
Unter Abschnitt B verzichteten die Eheleute auf ihre "gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte am dereinstigen Nachlass" des Erstversterbenden.
Am 29.12.2009 heiratete der Erblasser die Beteiligte zu 1) erneut.
Unter dem 26.10. haben die Beteiligen zu 1) und 2) auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge einen Erbschein beantragt (UR. Nr. 2984/2016 K, Notar Dr. M. K., Mönchengladbach). Sie haben geltend gemacht, der Erb-und Pflichtteilsverzicht habe auf Grund der erneuten Eheschließung keine Bedeutung mehr.
Die andere Tochter des Erblassers hat der Erteilung des beantragten Erbscheins zugestimmt.
Durch Beschluss vom 9.1.2017 hat das AG den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt, gegenüber dem erklärten Erbvertrag könne nicht eingewandt werden, die Geschäftsgrundlage habe gefehlt oder sei weggefallen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 17.1.2017, der das AG durch Beschluss vom 24.1.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
1. Das AG hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und 2) zu Unrecht abgelehnt.
Der Senat teilt die Auffassung der Beteiligten zu 1) und 2), dass der im notariellen Vertrag vom 14.1.1999 enthaltene Erbverzicht der Erteilung des Erbscheins nicht entgegensteht.
Die Eheleute haben in der Vormerkung des notariellen Vertrages ausdrücklich die Motivation für die nachfolgenden Regelungen festgehalten und bestimmt, dass sie "sowohl für die Zeit, in der wir in Zukunft getrennt leben sollten, als auch den Fall der Ehescheidung" regeln.
Die nachfolgenden Vereinbarungen wurden also nur für den Fall einer tatsächlichen (endgültigen) Trennung geschlossen, wie sich aus der Formulierung "getrennt leben sollten" ergibt. Das gilt auch für den bei dieser Gelegenheit in derselben Urkunde erklärten Erbverzicht, der sich nur auf die damals bestehende Ehe beziehen konnte und nicht greift, wenn sich die Eheleute erst scheiden lassen und dann erneut heiraten. Durch die im Dezember 2009 geschlossene (zweite) Ehe mit der Beteiligten zu 1) wurden die Erbansprüche der Beteiligten zu 1) erstmals (wieder) begründet.
Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von der in dem angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vom 4.11.2011 = NJW 1999, 789), in dem es um den Erbverzicht des Sohnes gegenüber seiner Mutter ging.
Daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben. Das AG wird über den Antrag unter Beachtung der Erwägungen dieses Beschlusses erneut zu befinden haben.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Fundstellen
Haufe-Index 10526958 |
FamRZ 2017, 1272 |
NJW-RR 2017, 1094 |
MittBayNot 2018, 565 |
ZEV 2017, 296 |
ErbR 2017, 345 |
NJW-Spezial 2017, 296 |
NotBZ 2017, 345 |