Leitsatz (amtlich)
›Es verstößt gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters, wenn die Strafvollstreckungskammer durch drei Richter statt durch den zuständigen Einzelrichter entscheidet.‹
Verfahrensgang
StA Duisburg (Aktenzeichen 48 Js 174/95) |
Gründe
I.
Das Amtsgericht Mülheim/Ruhr hat den Beschwerdeführer am 22. März 1994 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Durch Urteil des Amtsgerichts Mülheim/Ruhr vom 7. September 1995 ist gegen den Verurteilten wegen Vergewaltigung in vier Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet worden. Durch Beschluß vom 3. Dezember 1997 hat die Strafvollstreckungskammer den weiteren Vollzug der Unterbringung und die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 7. September 1995 zur Bewährung ausgesetzt. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 30. März 1999 ist der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden, die er inzwischen vollständig verbüßt hat.
Durch den angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzungen zur Bewährung widerrufen.
II.
Die sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil die Strafvollstreckungskamrner in der Besetzung mit drei Richtern entschieden hat, obgleich die Voraussetzungen des § 78 b Abs. 1 Nr. 1 GVG nicht erfüllt sind. Denn gegen den Verurteilten war nur eine Maßregel nach § 64 StGB angeordnet worden, was die Strafvollstreckungskammer offensichtlich übersehen hat.
1.
Der angefochtene Beschluß unterliegt aus formellen Gründen der Aufhebung, weil ein funktionell unzuständiges Gericht entschieden hat und der Verurteilte dadurch seinem gesetzlichen Richter entzogen worden ist.
Soweit unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 269 StPO die Auffassung vertreten wird, eine Entscheidung durch die mit drei Richtern besetzte Strafvollstreckungskammer anstelle des an sich gemäß § 78 b Abs. 1 Nr. 2 GVG zuständigen Einzelrichters sei unschädlich (vgl. OLG Düsseldorf, 4. Strafsenat, NStZ 1984, 477; LR-Siolek, 25. Aufl., § 78 b GVG Rdnr. 12; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., § 78 b GVG Rdnr. 8), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Zwar ist dieser Meinung zuzugeben, daß die Zuständigkeitsverteilung in § 78 b GVG auf dem Gedanken beruht, die Strafvollstreckungskammern in weniger bedeutsamen Verfahren zu entlasten und lediglich in den enumerativ aufgezählten Fällen, die für den jeweils Betroffen von erheblich größerer Bedeutung sind, eine qualitativ bessere Ausstattung durch die Kenntnisse und den Sachverstand von drei Berufsrichtern zu schaffen (vgl. BT-Drucksache 7/550 S. 319 und 7/1261 S. 34). Daraus kann indessen allein nicht gefolgert werden, daß bei Entscheidung durch die nicht zuständige große Strafvollstreckungskammer dem Betroffenen der größere Sachverstand zugute komme und er nicht in seinen Rechten beeinträchtigt sei, weil ihm die präsumtive höhere Richtigkeit der Entscheidung zum Vorteil gereiche (so aber OLG Düsseldorf, 4. Strafsenat, aaO, LR-Siolek, aaO). Denn eine Rechtsgutbeeinträchtigung ist schon deshalb gegeben, weil der Betroffene in seinem grundgesetzlich verbürgten Anspruch auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt ist. Es erscheint auch inkonsequent, in den Fällen, in denen der Einzelrichter anstelle der gemäß § 78 b Abs. 1 Nr. 1 GVG zuständigen großen Strafvollstreckungskammer entschieden hat, wegen der nicht ordnungsgemäßen Besetzung einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG anzunehmen, einen solchen indessen unter Berufung auf den Rechtsgedanken des § 269 StPO im umgekehrten Fall zu verneinen (so LR-Siolek, aaO, Rdnr. 13).
Auch die Berufung auf den in § 269 StPO enthaltenen allgemeinen Rechtsgrundsatz kann nach Auffassung des Senats nicht dazu führen, wegen der präsumtiv besseren Qualifikation der großen Strafvollstreckungskammer hinzunehmen, daß der Betroffene dem gesetzlichen Richter entzogen wird. Zwar gereicht es gemäß § 269 StPO einem Angeklagten nicht zum Nachteil, wenn statt eines an sich zuständigen Strafrichters das Schöffengericht entschieden hat. Daraus kann auch bei isolierter Betrachtung aber nicht abgeleitet werden, daß dieser Grundsatz erst recht im Verhältnis der kleinen zur großen Strafvollstreckungskammer gilt, weil es dort nur um die Frage der Besetzung eines einheitlichen Spruchkörpers, nicht aber um zwei unterschiedlich zuständige Gerichte verschiedener Ordnungen geht. Der aus § 269 StPO folgende Grundsatz kann nur in den Fällen zur Anwendung kommen; in denen das Gesetz einem mit der Sache befaßten Gericht höherer Ordnung die Befugnis zur eigenen Sachentscheidung einräumt. Die große Strafvollstreckungskammer ist gegenüber der mit einem Richter besetzten kleinen Kammer nach der Regelung in § 78 b GVG aber kein Gericht höherer Ordnung. Der Gesetzgeber hat in d...