Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugewinnausgleich; Zuwendung einer Immobilie mit Belastung durch Wohnrecht, Nießbrauch oder Leibrentenversprechen, Bewertung des Wertes eines kleinen Handwerk- oder Gewerbebetriebes
Leitsatz (amtlich)
Zu den rechtlichen Maßstäben für die zugewinnrechtliche Einordnung von Belastungen durch ein Wohnrecht oder einen Nießbrauch, die den ausgleichspflichtigen Empfänger einer Immobilie gegenüber dem Zuwendenden treffen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 06.05.2015, XII ZB 306/14).
Ein Leibrentenversprechen des ausgleichspflichtigen Zuwendungsempfänger ist bei der Ermittlung des Anfangsvermögens wie des Endvermögens, soweit die Verpflichtung zu diesem Zeitpunkt noch besteht, zu berücksichtigen. Dasselbe gilt bei einer Pflegeverpflichtung, also bei dem dem Zuwendenden gewährten Leibgeding (Altenteil) durch die der Erwerber sich verpflichtet, dem Zuwendenden Pflegedienstleistungen zu gewähren.
Zur Bewertung eines Unternehmens oder Geschäftsbetriebes bei der zugewinnrechtlichen Ermittlung des Vermögens zum Bewertungsstichtag (Anschluss an BGH, Urteil vom 05.12.2018, XII ZR 116/17).
Zur möglichen Anwendung des Substanzwertverfahrens statt der Ertragswertmethode bei der Bewertung von kleinen Handwerks- oder Gewerbebetrieben.
Normenkette
BGB §§ 1374-1376, 1384
Verfahrensgang
AG Moers (Aktenzeichen 481 F 138/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 02.09.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Moers vom 16.08.2021 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers (einschließlich der Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens) mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass unter Berücksichtigung der nachfolgenden Erwägungen die beantrage Verfahrenskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückzuweisen ist sowie zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I) Der Antragsteller begehrt Verfahrenskostenhilfe für seinen Antrag, mit dem er die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Zugewinn aus der am 20.08.1999 geschlossenen und aufgrund des Scheidungsbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Moers vom 18.03.2019 geschiedenen Ehe begehrt. Der Scheidungsantrag ist am 21.11.2014 zugestellt worden.
Die Antragsgegnerin war zum Zeitpunkt der Eheschließung und der Zustellung des Scheidungsantrages Eigentümerin der Immobilie A... 1.., welche mit einem Wohnrecht zugunsten der Mutter der Antragsgegnerin belastet ist, das im Rahmen der notariellen Vereinbarung, auf deren Grundlage die Antragsgegnerin die Immobilie erworben hatte, mit einem Wert von 1.200,- EUR bewertet worden war. Darüberhinaus ist die Antragsgegnerin Eigentümerin der Immobilie K...straße 5.. mit privater und gewerblicher Nutzung, welche sie durch notarielle Vereinbarung vom 20.11.2008 von ihren Eltern erworben hat, wobei zu deren Gunsten ein Wohnrecht, eine Pflegeverpflichtung, eine dauernde Last und eine Rückübertragungsverpflichtung geregelt worden ist. In besagter Immobilie betreibt die Antragsgegnerin eine Gaststätte. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages verfügte die Antragsgegnerin über Sparguthaben und Guthaben aus Versicherungen in Höhe von 6.542,46 EUR. Demgegenüber bestanden - unstreitig - Verbindlichkeiten in Höhe von 197.092,61 EUR.
Der Antragsteller behauptet, dass im Hinblick auf die Immobilie A... 1... unter Berücksichtigung bestehender Belastungen nach Indexierung von einem für die Ermittlung des Anfangsvermögen relevanten Wert von 30.000,- EUR auszugehen sei. Dem Anfangsvermögen der Antragsgegnerin sei wegen der im Jahre 2008 von den Eltern erworbenen Immobilie K...straße 5... kein Wert hinzuzurechnen, da dieser Immobilie mit Blick auf übernommene Verbindlichkeiten und Belastungen zugunsten der Eltern kein positiver Wert beigemessen werden könne. Beide Immobilien hätten indessen bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages unter Berücksichtigung der jeweilig dann noch bestehenden Verbindlichkeiten und Belastungen zugunsten der Eltern Wertzuwächse erfahren, so dass die Immobilie A... 1... mit 103.000,- EUR und die Immobilie K...straße 5... mit 149.000,- EUR beim Endvermögen einzustellen seien. Hinzu käme ein Wert der Gaststätte von 165.000,- EUR, so dass das Endvermögen der Antragsgegnerin 417.000,- EUR betrage, deren Zugewinn sich mithin auf 387.000,- belaufe und somit ein Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 193.500,- EUR bestehe.
Die Antragsgegnerin hat als Wert der Immobilie A... 1... zum Zeitpunkt der Eheschließung einen Betrag von 290.000,- EUR veranschlagt. Während der Ehezeit sei im Hinblick auf diese Immobilie ein Wertzuwachs nicht eingetreten. Wegen der Immobilie K...straße 5.. sei dem Anfangsvermögen ein Wert von 163.500,- EUR hinzuzurechnen. Der Gaststätte können entgegen der Auffassung des Antragsgegners kein relevanter Wert beigemessen werden, da zum maßgeblichen Zeitpunkt 2014 der Betrieb unwir...