Entscheidungsstichwort (Thema)

Geliebtentestament. Sittenwidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines "Geliebtentestaments".

 

Normenkette

BGB § 138

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Beschluss vom 02.04.2008; Aktenzeichen 5 T 13/08)

AG Mönchengladbach-Rheydt (Aktenzeichen 12 VI 501/06)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 2.4.2008 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1. und 2. haben die der Beteiligten zu 3. im dritten Rechtszuge notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Geschäftswert: 100.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um das Erbrecht nach dem am 28.6.2006 verstorbenen Erblasser.

Die Beteiligte zu 1. ist seine Ehefrau, die Beteiligte zu 2. ist seine Tochter. Die Beteiligte zu 3. ist die von ihm testamentarisch mit notarieller Urkunde vom 22.3.2002 als "Lebensgefährtin" eingesetzte Alleinerbin.

Die Beteiligten zu 1. und 2. haben das Testament "wegen Sittenwidrigkeit angefochten" und beantragt, ihnen als gesetzlichen Erben zu je ½ den Erbschein zu erteilen.

Sie haben gemeint, das Testament sei sittenwidrig. Das ergebe sich schon aus der Honorierung der rein sexuellen Beziehung des Erblassers mit der Beteiligten zu 3., die aus dem "Milieu" stamme. Unzumutbar sei es für die Beteiligte zu 1., mit der langjährigen "Geliebten" des Erblassers nun bei der Verwaltung von zwei Häusern, die ihr als Ehefrau zu ½ gehörten und mit der anderen Hälfte in den Nachlass gefallen seien, zusammenarbeiten zu müssen. Auch die vom Erblasser gewollte Möglichkeit, dass seine "Geliebte" die Häuser (teilungs-) versteigern lassen und so die Witwe "auf die Straße" setzen und deren wirtschaftliche Existenz vernichten könne, führe zur Sittenwidrigkeit. Gleiches ergebe sich aus der "geplanten wirtschaftlichen Notsituation" für die Beteiligte zu 1. als Witwe.

Die Beteiligte zu 3., die ihrerseits einen Erbschein als Alleinerbin beantragt hat, hat geltend gemacht, ihre Beziehung zu dem Erblasser habe bereits seit 1987 bestanden. Die Beteiligte zu 1. habe davon gewusst. Der Erblasser habe seitdem seine Freizeit mit ihr, der Beteiligten zu 3. verbracht und sei nur zum Schlafen in die frühere eheliche Wohnung zurückgekehrt. Die Eheleute hätte seit dem getrennte Schlafzimmer gehabt. Seit 1999 - nach dem Erwerb der Eigentumswohnung durch die Beteiligte zu 3. - habe der Erblasser nur noch sporadisch bei der Beteiligten zu 1. übernachtet. Nach seiner Erkrankung im Jahre 2002 sei er vollständig zu der Beteiligten zu 3. gezogen und habe mit ihr zusammen gelebt.

Das AG hat Zeugen dazu vernommen, ob der Erblasser das Testament ausschließlich errichtet habe, um die Beteiligte zu 3. für geschlechtliche Beziehungen zu belohnen und sie zu deren Fortsetzung zu bestimmen oder ob er mit ihr in nichtehelicher Gemeinschaft gewohnt habe.

Es hat sodann mit Beschluss vom 3.12.2007 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. und 2. zurückgewiesen und angekündigt, der Beteiligten zu 3. den beantragten Erbschein zu erteilen, weil die Beweisaufnahme für eine Sittenwidrigkeit nichts erbracht habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Erblasser zumindest über siebzehn Jahre hinweg mit der Beteiligten zu 3. in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt habe.

Das LG hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1. und zu 2. hätten nicht zu beweisen vermocht, dass das Testament vom 22.3.2002 eine sittenwidrige Zuwendung an die Beteiligte zu 3. enthalte. Die Beweisaufnahme habe vielmehr eine dauerhafte Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 3. bestätigt. Zu Recht habe das AG daher angenommen, dass der Erblasser nicht ausschließlich sexuelle Motive gehabt habe, die Beteiligte zu 3. letztwillig zu bedenken.

Die Sittenwidrigkeit ergebe sich auch nicht alleine aus der Tatsache, dass die Beteiligten zu 1. und zu 2. im Testament übergangen worden seien. Angesichts des Grundsatzes der Testierfreiheit könne das nur in Ausnahmefällen angenommen werden, die hier nicht vorlägen.

Weitere Ermittlungen seien nicht veranlasst.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 1. und 2. mit der weiteren Beschwerde.

Das LG habe einzig auf die Dauer der Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 3. abgestellt und die gegenseitigen Interessen nicht angemessen abgewogen. Die Enge der familienrechtlichen Beziehungen des Erblassers zu seiner Ehefrau und Tochter seien außer Betracht geblieben. Immerhin hätte Zeugen ausgesagt, der Erblasser habe seine Ehefrau "nicht loslassen" können. Die "Bevorzugung" der "Geliebten" führe wirtschaftlich zur Notwendigkeit des Verkaufs von Immobilienvermögen, das der Erblasser zusammen mit seiner Ehefrau durch deren Hände Arbeit erworben habe, oder zu lebenslanger Gemeinschaft mit der "Geliebten".

Das LG habe zudem die Beweislast verkannt. Wegen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Testament und Einzug bei der Beteiligten...

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