Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt und wird dieser Anspruch nicht nur auf die Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses, sondern auch auf eine andere Anspruchsgrundlage gestützt, ist für den Streitwert ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, stets das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend.
2. Die Mehrwertsteuer ist als unselbständiger Teil des Entgelts Hauptforderung und deshalb bei der Bemessung der Jahresmiete zu berücksichtigen.
Normenkette
GKG § 41 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kleve (Beschluss vom 28.07.2010; Aktenzeichen 1 O 347/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten werden unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Kleve vom 28.7.2010 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 1.9.2010 teilweise abgeändert und der Streitwert für die Zeit nach dem 10.11.2009 auf 8.400 EUR und für die Zeit bis zum 10.11.2009 von Amts wegen anderweitig auf 32.676 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Durch das am 3.11.2009 antragsgemäß erlassene, den Prozessbevollmächtigten der Parteien am 05./10.11.2009 zugestellte Teil-Anerkenntnisurteil ist die Beklagte zur Räumung und Herausgabe der Gaststätte verurteilt worden, die sie von dem früheren Eigentümer der Immobilie und Rechtsvorgänger des Klägers gepachtet hatte (Pacht: 1.700 EUR/mtl. + Betriebskostenvorauszahlung: 250,00/mtl EUR. + gesetzl. MwSt.). Die dadurch verursachten Prozesskosten hat das LG durch Beschluss vom 16.2.2010 der Beklagten auferlegt (Nr. 2 des Tenors). Gleichzeitig hat es die weitergehende Klage, die sich auf der Grundlage eines umstrittenen Vertragsverhältnisses auf die Räumung und Herausgabe der über der Gaststätte gelegenen Wohnung (Warmmiete: 700 EUR/mtl.) gerichtet hat, abgetrennt (Nr. 1 des Tenors) und diesen Teil des Streitgegenstands an das örtlich zuständige AG abgegeben.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG den Streitwert bis zum 16.2.2010 auf 28.120 EUR ([10 Mon × 1.972 EUR/Mon =] 19.720 EUR + [12 Mon × 700 EUR/Mon =] 8.400 EUR) und für die Zeit danach auf 19.720 EUR festgesetzt.
Mit seiner Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, will der Kläger die Herabsetzung des Streitwerts erreichen, und zwar für die Zeit bis zum 3.11.2009 auf 17.000 EUR (10 Mon × 1.700 EUR/Mon) und für die Zeit danach auf 1.575 EUR (3,5 Mon × 450 EUR/Mon) Die Prozessbevollmächtigten des Klägers (künftig: Verfahrensbeteiligte) halten den angefochtenen Beschluss für richtig und bitten um Zurückweisung der Beschwerde.
B.I. Das Rechtsmittel, über das der Senat gem. § 122 Abs. 1 GVG in seiner vollen Besetzung zu entscheiden hat, ist gem. §§ 63 Abs. 3 Satz 2, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Es hat nur insoweit Erfolg, als der Streitwert bereits für die Zeit ab Wirksamwerden des Teil-Anerkenntnisurteils am 10.11.2009 herabzusetzen ist, statt erst für die Zeit nach dem Abtrennungsbeschluss. Im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Für die Zeit vor dem Wirksamwerden des Teil-Anerkenntnisurteils ist der Streitwert von Amts wegen auf 32.676 EUR heraufzusetzen, für die Zeit danach auf 8.400 EUR herabzusetzen.
1. Das LG hat als maßgebliche zeitliche Zäsur zur Herabsetzung des Streitwerts die Abtrennungsentscheidung vom 16.2.2010 gesehen. Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr hat bereits der letzte Zustellungszeitpunkt (10.11.2009) des im schriftlichen Verfahren ergangenen Teil-Anerkenntnisurteils zur Verminderung des Streitwerts geführt. Das beruht darauf, dass mit dem Wirksamwerden des Teil-Anerkenntnisurteils einer der beiden Streitgegenstände, nämlich der die Gaststätte betreffende komplett erledigt worden ist. Seither haben die Parteien nur noch über die Räumung und Herausgabe der Wohnung gestritten.
2. Das LG hat für den ersten Zeitabschnitt die Werte beider Streitgegenstände addiert. Das ist gem. § 39 Abs. 1 GKG zutreffend. Nach dieser Bestimmung sind die Werte mehrerer in einem Verfahren und in einer Instanz geltend gemachten Streitgegenstände zusammenzurechnen.
3. Das LG hat allerdings den auf Räumung und Herausgabe der Gaststätte gerichteten Antrag mit 19.720 EUR (10 Mon × 1.972 EUR) zu gering bemessen. Dieser Wert beträgt vielmehr 24.276 EUR (12 Mon × 2.023 EUR).
a) Nach der hier maßgeblichen Bewertungsvorschrift (§ 41 Abs. 2 S. 2 GKG) bestimmt das Jahresentgelt den Gebührenstreitwert, wie ihn das LG für den ersten Zeitabschnitt auch zutreffend bei der Bewertung des auf die Wohnung gerichteten Räumungsanspruchs berücksichtigt hat. Es gibt keinen hinreichenden Grund, den auf die Räumung der Gaststätte gerichteten Anspruch nur mit zehn Monaten zu bewerten, wie es das LG (wohl in Anwendung des § 41 Abs. 2 S. 1 GKG) für richtig gehalten hat. Wird nämlich die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt und wird dieser Anspruch nicht nur auf die Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses, sondern auch au...