Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenswert in Kindschaftssachen gemäß § 45 Abs. 1 FamGKG ; nur ausnahmsweise Erhöhung nach § 45 Abs. 3 FamGKG

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Abweichung von dem für durchschnittliche Sorge- und Umgangsrechtsfälle nach § 45 Abs. 1 FamGKG vorgesehenen Verfahrenswert gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG ist nach der Gesetzessystematik eine Ausnahme und kann nur in Betracht gezogen werden, wenn der Arbeitsaufwand des Gerichts und der Verfahrensbevollmächtigten so stark von einem durchschnittlichen Verfahren abweicht, dass der nach § 45 Abs. 1 FamGKG vorgesehene Verfahrenswert aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles zu unvertretbar hohen oder unangemessen niedrigen Kosten bzw. Gebühren führen würde. Eine Verfahrensdauer von einem Jahr und 9 Monate reicht auch in Zusammenwirken mit 2 Anhörungsterminen und einer Kindesanhörung noch nicht zur Bejahung eines Ausnahmefalls im Sinne des § 45 Abs. 3 FamGKG aus.

 

Normenkette

FamGKG § 45 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Aktenzeichen 4 F 312/18)

 

Tenor

Die Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 17.07.2020 und der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen die Verfahrenswertfestsetzung im Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 10.07.2020 - 4 F 312/18 - werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).

 

Gründe

I. Der Kindesvater hat im vorliegenden Verfahren mit Schriftsatz vom 16.10.2018 den Erlass einer Umgangsregelung bezüglich der beiden - seit der Trennung der Kindeseltern Anfang August 2016 bei der Kindesmutter und Antragsgegnerin lebenden - beteiligten Kinder P, geboren am 10.03.2... und M, geboren am 28.03.2... beantragt.

Das Amtsgericht hat einen ersten Anhörungstermin ohne Anhörung der Kinder am 19.02.2019 durchgeführt und im Anschluss an einen weiteren Anhörungstermin am 02.07.2019 die beiden Kinder am 11.07.2019 angehört. Von der mit Beschluss vom 19.08.2019 angeordneten Einholung eines Sachverständigengutachtens zum verfahrensgegenständlichen Umgangsantrag des Kindesvaters hat das Amtsgerichts vor dem Hintergrund der Weigerung der Kindesmutter, weder an dem Gutachten mitzuwirken noch die beteiligten Kinder mitwirken zu lassen, wieder Abstand genommen und mit Beschluss vom 10.07.2020 in der Hauptsache entschieden, dass der Kindesvater berechtigt ist, brieflichen Kontakt mit den beteiligten Kindern zu halten und dass ansonsten der persönliche Umgang des Kindesvaters ungeregelt bleibt. Gleichzeitig hat das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 3.000 EUR festgesetzt.

Hiergegen wenden sich die jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten sowohl des Kindesvaters als auch der Kindesmutter mit ihren Verfahrenswertbeschwerden. Die Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter macht geltend, dass aufgrund des Umfangs und der Besonderheiten der Sache eine Erhöhung des Verfahrenswertes auf 4.500 EUR geboten sei, während die Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters einen Verfahrenswert von 6.000,- EUR für angemessen halten.

II. Die von den Verfahrensbevollmächtigten in eigenen Namen eingelegten Beschwerden sind zulässig; auch die nach § 59 Absatz 1 Satz 1 FamGKG erforderliche Beschwer wird - jedenfalls bei der Verfahrenswertbeschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters - erreicht.

Die Rechtsmittel sind jedoch in jedem Fall unbegründet, so dass es auch offen bleiben kann, ob die Beschwer nach § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG von 200,- EUR auch für die Verfahrenswertbeschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter erreicht ist.

Der Verfahrenswert beträgt gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG in Kindschaftssachen, die das Umgangsrecht betreffen, grundsätzlich 3.000,- EUR. Sofern dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig erscheint, kann nach § 45 Abs. 3 FamGKG ein höherer oder niedrigerer Wert festgesetzt werden.

Als mögliche Gründe für eine Anhebung des Verfahrenswertes nennt der Gesetzgeber den besonderen Umfang und/oder die besondere Schwierigkeit des Verfahrens. Bei einer einfachen Sach- und Rechtslage oder bei geringen Einkommen eines Beteiligten kann nach der Vorstellung des Gesetzgebers dagegen eine Herabsetzung des Verfahrenswertes erwogen werden (BT-Drucks. 16/6308, S. 306).

Die Abweichung von dem für durchschnittliche Sorge- und Umgangsrechtsfälle vorgesehenen Verfahrenswert, der abweichend von der früheren Gesetzeslage nicht mehr als Regelbetrag, sondern als Festbetrag vorgegeben ist, ist nach der Gesetzessystematik eine Ausnahme und kann nur in Betracht gezogen werden, wenn der Arbeitsaufwand des Gerichts und der Verfahrensbevollmächtigten so stark von einem durchschnittlichen Verfahren abweicht, dass der nach § 45 Abs. 1 FamGKG vorgesehene Verfahrenswert aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles zu unvertretbar hohen oder unangemessen niedrigen Kosten bzw. Gebühren führen würde (vgl. OLG Düsseldorf - 8. Senat für Familiensachen - Beschluss vom 19.09.2014 - II-8 WF 105/14, BeckRS 2014, 21378).

Nach diesen Grundsätze...

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