Leitsatz (amtlich)
Die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG), setzt nicht voraus, dass die Rechtsbeschwerde zuvor zugelassen worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Rechtsbeschwerdegericht auf einen in zulässiger Weise gestellten und begründeten Zulassungsantrag mit der Sache befasst worden ist.
Normenkette
GVG § 199 Abs. 3 S. 1; OWiG § 46 Abs. 1, § 80 Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Jedoch wird festgestellt, dass das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtsstaatswidrig verzögert worden ist.
Gründe
I.
Das Amtsgericht V. hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes eine Geldbuße von 35 Euro verhängt. Hiergegen richtet sich sein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Nachdem die Antragsbegründung bereits am 11. Februar 2014 eingegangen und die Begründungsfrist am 5. März 2014 abgelaufen war, sind die Akten dem Senat erst am 12. Dezember 2014 vorgelegt worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Eine Stellungnahme zu der im Verantwortungsbereich der Staatsanwaltschaft M. eingetretenen Verfahrensverzögerung ist nicht erfolgt.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Bei einer Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro ohne Nebenfolge wird die Rechtsbeschwerde nur zugelassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Eine Verfahrensrüge wegen Versagung des rechtlichen Gehörs hat der Betroffene nicht erhoben.
Die Sachrüge bietet keinen Anlass, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Der Fall wirft materiell-rechtlich keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und abstraktionsfähige Rechtsfrage von praktischer Bedeutung auf.
III.
Allerdings ist das Beschleunigungsgebot, das auch im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu beachten ist (vgl. zur Rechtsbeschwerde: BVerfG BeckRS 2003, 24461; OLG Düsseldorf [1. Senat für Bußgeldsachen] NZV 2008, 534, OLG Rostock StV 2009, 363), dadurch verletzt worden, dass die Akten dem Senat erst mehr als neun Monate nach Ablauf der Begründungsfrist vorgelegt worden sind.
Die Verzögerung ist aus Gründen, die anhand der Akten nicht nachvollzogen werden können, im Verantwortungsbereich der Staatsanwaltschaft M. eingetreten. Bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung hätten die Akten dem Senat jedenfalls ca. einen Monat nach Ablauf der Begründungsfrist vorgelegt werden können, so dass von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung mit einer Dauer von ca. acht Monaten auszugehen ist.
Der Senat hat daher gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG festgestellt, dass das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtsstaatswidrig verzögert worden ist. Für diese Feststellung bedarf es weder eines Antrags noch der Erhebung einer Verzögerungsrüge (arg. § 198 Abs. 4 Satz 2 u. Satz 3 Halbsatz 2 GVG, vgl. BGH BeckRS 2014, 20043).
In Anbetracht der geringen Eingriffsintensität (Geldbuße von 35 Euro) ist eine weitergehende Kompensation nicht gerechtfertigt. Abgesehen davon würde die Anwendung der Vollstreckungslösung die Zulassung der Rechtsbeschwerde voraussetzen. Denn in diesem Fall bleibt der Ausgleich für einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot - auch wenn er aus dem Vorgang der Zumessung der Geldbuße (§ 17 Abs. 3 OWiG) herausgelöst wird - Teil des Rechtsfolgenausspruchs im weiteren Sinne (vgl. OLG Hamm DAR 2011, 409, 410; OLG Saarbrücken NJOZ 2014, 1608, 1612). In den Rechtsfolgenausspruch kann das Rechtsbeschwerdegericht indes nur im Rahmen des § 79 Abs. 6 OWiG eingreifen.
Dagegen setzt die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, nicht voraus, dass die Rechtsbeschwerde zuvor zugelassen worden ist. Denn eine solche Feststellung als Wiedergutmachung auf andere Weise kann in jeder Lage des Verfahrens getroffen werden (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 199 Abs. 3 Satz 1 GVG). Es reicht vorliegend aus, dass das Rechtsbeschwerdegericht auf einen in zulässiger Weise gestellten und begründeten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Sache befasst worden ist. Insoweit gilt nichts anderes als im Falle einer Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG (vgl. hierzu: OLG Jena NZV 2008, 215).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 7553575 |
NStZ-RR 2015, 90 |