Leitsatz (amtlich)
Im Prozesskostenhilfeverfahren ist eine nicht fristgebundene Beschwerde auch ohne Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zulässig, wenn dieses seine Entscheidung willkürlich so verzögert, dass das Verhalten einer Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gleich kommt. Eine derartige willkürliche Verfahrensweise liegt noch nicht vor, wenn das Gericht ankündigt, wegen einer vertretungsbedingten Überlastungssituation die Sache auf nicht absehbare Zeit nicht bearbeiten zu können, da in diesem Fall die Untätigkeit auf einem sachlichen Grund beruht und ersichtlich auf die Zeit der Vertretung beschränkt ist.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 40 O 148/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird als unzulässig verworfen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller stellte mit Schriftsatz vom 27.12.2005, eingegangen am 2.1.2006 beim LG Düsseldorf einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage. Der ehemalige Vorsitzende der zuständigen 10. Kammer für Handelssachen verfügte am 13.1.2006 die Übersendung des Schriftsatzes an den Gegner zur Stellungnahme binnen drei Wochen; die Frist wurde später verlängert. Der Antrag wurde dem Gegner am 20.2.2006 zugestellt. Nach Eingang der Stellungnahme verfügte der Vorsitzende am 26.4.2006 "Wiedervorlage an meinen Nachfolger zur Terminierung". Der in der Folgezeit als Vertreter zuständige Vorsitzende der 8. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf richtete unter dem 22. und 29.5.2006 an die Prozessbevollmächtigten der Parteien folgende Schreiben:
"Der Vorsitzende der 10. Kammer für Handelssachen ist mit Ablauf des 30.4.2006 in den Ruhestand getreten. Ein Nachfolger ist nicht bestimmt worden. Der für die vorliegende Sache vom Präsidium zum Vertreter bestimmte Vorsitzende der 8. Kammer für Handelssachen ist angesichts der Vielzahl der in dieser Kammer anhängigen Sachen derzeit und auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage, verfahrensfördernde Maßnahmen vorzunehmen und einen Termin wahrzunehmen."
Auf diese Nachricht hat der Antragsteller mit am 5.6.2006 eingegangenen Schriftsatz die Erhebung einer Untätigkeitsbeschwerde wegen vorwerfbarer Untätigkeit des Gerichts angekündigt. Der Vorsitzende hat mit Verfügung vom 7.6.2006 in der Akte vermerkt, dass sich die Situation nicht geändert habe und wegen Überlastung eine das Verfahren fördernde Entscheidung derzeit nicht möglich sei; sodann hat er das Schreiben des Antragstellers dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Unter dem 9.6.2006 hat der Antragsteller sodann die angekündigte sofortige Beschwerde erhoben.
Der Antragsteller vertritt die Ansicht, das LG habe die Prozesskostenhilfe verweigert, indem es schriftlich erklärt habe, auf nicht absehbare Zeit über den Antrag des Klägers nicht entscheiden zu wollen. Diese Untätigkeit sei vorwerfbar, da kein Kriterium ersichtlich sei, dass das LG von einer Entscheidung Abstand nehmen lasse.
Der Antragsteller beantragt, die Sache zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrags des Antragstellers an das LG Düsseldorf zurückzuverweisen, ggf. an eine andere Kammer für Handelssachen; hilfsweise, dem Antragsteller für seine beabsichtigte Klage für die I. Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm zur unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte in dieser Instanz Rechtsanwalt Roggen als Rechtsanwalt beizuordnen.
Der Antragsgegner hält den Prozesskostenhilfeantrag für unbegründet.
II. Das Rechtsmittel ist gem. § 572 Abs. 2 S. 2 ZPO zu verwerfen, da es unzulässig ist.
Zwar ist nach herrschender Auffassung insb. im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren eine sofortige Beschwerde auch ohne Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts statthaft, wenn das Gericht das Bewilligungsverfahren aussetzt oder seine Entscheidung so verzögert, dass dies einer Ablehnung gleichkommt (OLG Naumburg, Beschl. v. 2.11.2005 - 8 WF 184/05, zitiert nach juris, Rz. 2; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.9.2002 - 4 W 65/02, NJW-RR 2003, S. 1653, 1654; OLG Köln, Beschl. vom 23.12.1998 - 14 WF 198/98, NJW-RR 1999, S. 649; OLG Hamburg, Beschl. v. 3.5.1989 - 2 UF 24/89, NJW-RR 1989, S. 1022; Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., 2004, § 127, Rz. 11; Musielak-Fischer, ZPO, 4. Aufl., 2005, § 118, Rz. 19; Büttner, Die Beschwerde gegen eine PKH-Entscheidung und PKH in der Rechtsmittelinstanz, FPR 2002, S. 498, 499; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 16.1.2003 - 1 BvR 2222/02, NVwZ 2003, S. 858). Die Zulassung einer solchen Untätigkeitsbeschwerde darf allerdings nicht dazu führen, dass das Verfahren wiederum verzögert wird und den Beschwerdegerichten hierdurch eine ins Einzelne gehende Aufsicht über die Verfahrensgestaltung der Vorinstanz zuwächst. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Beschwerde ist daher, dass eine über das Normalmaß hinausgehende, den Parteien unzumutbare Verzögerung dargetan wird (Zöll...