Leitsatz (amtlich)

Zur Strafbarkeit wegen passlosen Aufenthaltes im Bundesgebiet.

 

Normenkette

AufenthG § 3 Abs. 1, § 48 Abs. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Die Revision wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Dinslaken hat den Angeklagten, der indischer Staatsangehöriger ist, wegen "Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz" zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Seine Berufung hat das Landgericht Duisburg als unbegründet verworfen, wobei es den Schuldspruch dahin klargestellt hat, dass der Angeklagte des passlosen Aufenthaltes schuldig ist. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten.

II.

Die Revision ist unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

Zu den Ausführungen in der Revisionsbegründung bemerkt der Senat:

1.

Der Strafbefehl vom 24. August 2018 entspricht den Anforderungen des § 407 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO. Die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat ist dort konkret bezeichnet worden. Aus der Sachverhaltsdarstellung geht eindeutig hervor, dass dem Angeklagten zur Last gelegt wird, sich nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags trotz mehrfacher Aufforderung zur Passbeschaffung jedenfalls seit dem 8. Dezember 2015 in Kenntnis der Passpflicht ohne Pass im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Eine ausdrückliche Bezeichnung der Schuldform (hier: Vorsatz) war entbehrlich, zumal das in dem Strafbefehl angeführte Vergehen nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nur vorsätzlich begangen werden kann.

Ein lediglich fahrlässiger passloser Aufenthalt im Bundesgebiet wäre gemäß § 98 Abs. 1 AufenthG als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeldbescheid zu ahnden gewesen. Dies kommt etwa in Betracht, wenn ein passpflichtiger Ausländer infolge mangelnder Sorgfalt übersehen hat, dass ein vorhandener Pass inzwischen ungültig geworden ist (vgl. Hohoff in: BeckOK Ausländerrecht, 25. Edition, § 98 AufenthG Rdn. 3). Vorliegend war der Angeklagte im August 2014 ohne Pass in das Bundesgebiet eingereist und seitdem passlos geblieben. Auf die Passpflicht ist er durch die Ausländerbehörde immer wieder hingewiesen worden. Bei dieser Sachlage schied ein bloßer Fahrlässigkeitsvorwurf ersichtlich aus.

2.

Die von dem Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen passlosen Aufenthaltes.

Zwar ist § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als echtes Unterlassungsdelikt ausgestaltet, so dass die Strafbarkeit unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit normgerechten Verhaltens steht (vgl. BVerfG NVwZ 2006, 80, 81 zu § 92 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F., OLG München NStZ 2013, 484; KG NStZ-RR 2013, 358). Indes war es dem Angeklagten ohne Weiteres zumutbar, einen Antrag auf Erteilung eines Reisepasses bei der diplomatischen Vertretung seines Heimatstaates zu stellen. Grundsätzlich kann ein Ausländer einen Pass nur dann nicht in zumutbarer Weise erlangen, wenn dieser ihm von seinen Heimatbehörden verweigert wird oder wenn er einen solchen nicht in angemessener Zeit oder nur unter schwierigen Umständen erhalten kann (vgl. OLG München a.a.O; KG a.a.O.).

Der Umstand, dass sich ein ausreisepflichtiger Ausländer durch die Passbeschaffung der Gefahr aussetzt, aus dem Bundesgebiet abgeschoben zu werden, ändert nichts an der Passpflicht und der Zumutbarkeit normgerechten Verhaltens. Denn die Passpflicht dient nicht nur der Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit, sondern soll auch verhindern, dass ausreisepflichtige Ausländer im Bundesgebiet verbleiben, weil sie ohne Ausweispapiere nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können (vgl. BayObLG BeckRS 2004, 08589).

In den Urteilsgründen ist ausgeführt worden, dass die zuständige Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde den Angeklagten bei seinen persönlichen Vorsprachen mehrfach, insgesamt 13 Mal, aufgefordert hat, bei dem indischen Generalkonsulat in Frankfurt einen Pass bzw. ein Passersatzpapier zu beantragen. Dies ist u. a. in den Niederschriften vom 8. Dezember 2015, 26. Januar 2016, 29. November 2016 und 23. Februar 2017 dokumentiert worden. Der Angeklagte hat sich in dem mehrjährigen Zeitraum bis zur Berufungshauptverhandlung vom 30. Januar 2020 lediglich einmal zu dem indischen Generalkonsulat in Frankfurt begeben, und zwar unvorbereitet und unangemeldet am 7. November 2017. Dort sei er - so die Einlassung des Angeklagten - nicht hineingelassen worden.

Zwecks Vorbereitung der Passbeschaffung hätte es nahegelegen, sich zunächst mit einem schriftlichen Antrag an die Auslandsvertretung zu wenden, um die Benennung der maßgeblichen Anforderungen nachzusuchen und einen Besuchstermin zu vereinbaren. Eine solche Kontaktaufnahme hat der Angeklagte beharrlich unterlassen. Auch hat er letztmals im Jahr 2016 versucht, mit Hilfe seines Bruders in Indien Unterlagen zum Nachweis nach seiner Identität zu beschaffen. Der Angeklagte hat angegeben, er sei in Jammu geboren und habe seinen letzten Pa...

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