Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als un- begründet verworfen.

Beschwerdewert: 562,60 €

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 4. August 2005 hat das Landgericht den früheren Angeklagten von dem Vorwurf der Vergewaltigung u.a. in mindestens zwanzig Fällen freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen sind der Staatskasse auferlegt worden.

Nach Rechtskraft des freisprechenden Urteils hat der Verteidiger des Angeklagten mit Antrag vom 5. August 2005 Kostenfestsetzung in Höhe von 2. 304, 86 € beantragt. Der Angeklagte hatte die diesbezüglichen Ansprüche gegen die Staatskasse an seinen Verteidiger abgetreten. Durch Beschluss vom 18. November 2005 hat die Rechtspflegerin die dem früheren Angeklagten aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen auf 1.742,26 € festgesetzt. Den weitergehenden Antrag hat sie zurückgewiesen. Im einzelnen handelt es sich um folgende Gebühren:

beantragt bewilligt

1.

Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG

300,00 €

165,00 €

2.

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG

250,00 €

180,00 €

3.

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG

270,00 €

200,00 €

4.

Terminsgebühr (HVT: 27.07.05) gemäß Nr. 4114 VV RVG

350,00 €

270,00 €

5.

Terminsgebühr (HVT: 2.8.05) gemäß Nr. 4114 VV RVG

470,00 €

340,00 €

6.

Terminsgebühr (HVT: 4.8.05) gemäß Nr. 4114 VV RVG

300,00 €

300,00 €

7.

Auslagenpauschale

20,00 €

20,00 €

8.

Kosten für 63 Kopien

26,95 €

26,95 €

9.

16 % Umsatzsteuer

317,91 €

240,31 €

insgesamt

2.304,86 €

1.742,26 €

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Verteidigers, soweit die Rechtspflegerin seinem Antrag nicht entsprochen hat.

II.

Die nach §§ 304 Abs. 3 , 311 Abs. 2 , 464b Satz 3 StPO , §§ 103 Abs. 2 Satz 1 , 104 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 ZPO , §§ 11 Abs. 1 , 21 Nr. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts als nunmehrigen Inhabers des Kostenerstattungsanspruchs des Freigesprochenen ist nicht begründet.

Weder hinsichtlich der Grundgebühr (Tätigkeit betr. die erstmalige Einarbeitung in den Fall ; Nr. 4100 VV RVG) noch hinsichtlich der beiden Verfahrensgebühren (Tätigkeit bis Eingang der Anklageschrift Nr. 4104 VV RVG; Tätigkeit im ersten Rechtszug vor der Strafkammer Nr. 4112 VV RVG) noch hinsichtlich der beiden beanstandeten Terminsgebühren für die Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen am 27. Juli und 2. August 2005 (Terminsgebühr Nr. 4114 VV RVG) hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Rechtspflegerin ist zu Recht von dem Gebührenansatz des beschwerdeführenden Rechtsanwalts abgewichen, der die Höchstgebühr bei der Grundgebühr, den Verfahrensgebühren und bei der Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin vom 2. August 2005 sowie eine um etwa 30 % erhöhte Mittelgebühr für die Teilnahme an dem Termin vom 27. Juli 2005 begehrt.

Gemäß § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist diese Gebühr von einem Dritten zu erstatten - so wie hier von der Staatskasse - ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung allerdings nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das ist in Fortführung der ständigen Rechtsprechung des 2. Strafsenats zu der inhaltsgleichen Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO der Fall, wenn sie um 20% oder mehr von der Gebühr abweicht, die sich unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG genannten Bemessungsgrundlagen ergibt. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist daher zu prüfen, ob die geltend gemachte Gebühr sich innerhalb des Gebührenrahmes hält und sie im Einzelfall nicht unbillig ist.

Die zur Erstattung angemeldeten Gebühren überschreiten hier die Grenze zur Unbilligkeit, was die Verbindlichkeit des Gebührenansatzes entfallen lässt. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Grundgebühr

Die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG umfasst die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Rahmen der erstmaligen Einarbeitung in den Rechtsfall. Der Verteidiger hat ein Mandantengespräch geführt, was sich angesichts des Umstandes, dass der Freigesprochene türkischer Staatsangehöriger mit Schwierigkeiten im Gebrauch und Verständnis der deutschen Sprache ist und nach den Angaben des Verteidigers ein sehr eloquentes Gesprächsverhalten an den Tag legte, schwierig gestaltet haben dürfte. Die Sache war für den Mandanten auch von großer Bedeutung. Da es sich um eine Vielzahl von erheblichen Vorwürfen aus dem Sexualstrafrecht handelte, sah sich der Mandant im Verurteilensfalle einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ausgesetzt. Dies hätte wahrscheinlich ausländerrechtliche Konsequenzen bis hin zur Ausweisung nach sich gezogen. Andererseits war die Sache rechtlich und tatsächlich eher im unterdurchschnittlichen Bereich anzusiedeln. Die Rechtsmaterie gehört zum Standardwissen eines Verteidigers. Eine Verurteilung hing in erster Linie von der ...

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