Leitsatz (amtlich)
1. Das Grundbuchamt kann die Vorlage eines Zeugnisses über das Nichtbestehen oder die Nichtausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nicht verlangen, wenn die Überprüfung des zu vollziehenden notariellen Vertrages ergibt, dass ein Vorkaufsfall nicht vorliegt.
2. Eine Grundbesitzübertragung steht einem den Vorkaufsfall auslösenden Kauf nicht gleich, wenn die etwa vorkaufsberechtigte Gemeinde nicht in der Lage wäre, in den Vertrag einzutreten, weil sie die für die Grundstücksübertragung vereinbarte Gegenleistung (hier: neben Teilkaufpreiszahlung Übertragung eines anderen Grundstücks) nicht vollständig erbringen könnte.
Normenkette
GBO § 20; BBauG §§ 24 ff.; BGB §§ 463 ff.
Verfahrensgang
AG Kleve (Aktenzeichen KP-...) |
LG Kleve (Aktenzeichen 4 T 27/10) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird geändert.
Die Zwischenverfügung des AG - Rechtspfleger - Kleve vom 19.8.2009 wird aufgehoben; das Grundbuchamt wird angewiesen, von den dort geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
Gründe
I. Mit notariellem "Kauf- und Übertragungsvertrag" vom 31.3.2009 (UR-Nr. 392/2009 des vertretenden Notars) veräußerte die Beteiligte zu 1. den in Keppeln belegenen Grundbesitz an den Beteiligten zu 2.; die Gegenleistung sollte derart erbracht werden, dass die Beteiligten zu 3. für Rechnung des Beteiligten zu 2. - ihres Sohnes - den in Nergena belegenen Grundbesitz auf die Beteiligte zu 1. übertrugen und der Beteiligte zu 2. weiterhin einen Barkaufpreis von 85.000 EUR entrichtete.
Mit Schrift vom 21.7.2009 haben die Beteiligten beantragt, den Grundbesitz Keppeln auf den Beteiligten zu 2. und den Grundbesitz Nergena auf die Beteiligte zu 1. umzuschreiben; hierzu haben sie u.a. eine Bescheinigung der Gemeinde Uedem vorgelegt, wonach in Bezug auf den Grundbesitz Keppeln ein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch nicht bestehe beziehungsweise im Falle seines Bestehens nicht ausgeübt werde.
Mit Zwischenverfügung vom 19.8.2009 hat das Grundbuchamt beanstandet, die Beteiligten müssten noch ein Zeugnis der zuständigen Gemeinde Goch, nämlich hinsichtlich des Grundbesitzes Nergena, über das Nichtbestehen beziehungsweise die Nichtausübung des gesetzlichen Vorkaufrechtes gem. §§ 24 ff. BauGB einreichen.
Die hiergegen mit der Begründung, hinsichtlich des Grundbesitzes Nergena liege kein Kauf-, sondern ein Übertragungsvertrag vor, von den Beteiligten eingelegte Beschwerde ist vor dem LG ohne Erfolg geblieben.
Gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde wenden sich die Beteiligten nunmehr mit ihrer weiteren Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakten Bezug genommen.
II. Das gem. §§ 71 Abs. 1, 78 Satz 1, 80 GBO a.F. als weitere Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf einer Rechtsverletzung i.S.d. §§ 78 Satz 2 GBO a.F., 546 ZPO.
1. Das LG hat ausgeführt:
Das Grundbuchamt habe selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob der Gemeinde ein Vorkaufsrecht überhaupt zustehe; es könne die Vorlage eines Zeugnisses über das Nichtbestehen bzw. die Nichtausübung des gemeindlichen Vorkaufsrecht nach §§ 24 bis 28 BauGB nicht verlangen, wenn sich aus dem zu vollziehenden notariellen Vertrag ergebe, dass ein Vorkaufsfall nicht gegeben sei. Hier handele es sich bezüglich des Grundbesitzes Nergena zwar nicht um einen Kaufvertrag, sondern um einen Tausch. Auf einen solchen fänden gem. § 480 BGB jedoch die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung. Im Übrigen wäre, wollte man anders entscheiden, es für einen Verkäufer ein Leichtes, durch Übertragung von Grundbesitz nicht gegen Geld, sondern beispielsweise gegen marktgängige Wertpapiere das gemeindliche Vorkaufsrecht zu unterlaufen.
2. Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zwar hat das LG den Prüfungsumfang des Grundbuchamtes nach zutreffenden rechtlichen Grundsätzen bestimmt und ist es auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass sich die Übertragung des Grundbesitzes Nergena als Tausch darstellt. Die vom Beschwerdegericht hieraus gezogenen rechtlichen Folgerungen sind indes nicht tragfähig.
Die den Vorkauf regelnden §§ 463 bis 474 BGB finden anerkanntermaßen auch auf die gesetzlichen Vorkaufsrechte, wozu das im Baugesetzbuch geregelte Vorkaufsrecht für Gemeinden zählt, Anwendung (statt aller: Palandt/Weidenkaff, BGB, 69. Aufl. 2010, vor § 463 Rz. 2 und 4). § 463 BGB erfordert für den Eintritt des Vorkaufsfalles das Vorliegen eines Kaufvertrages zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Drittkäufer. Es ist seit jeher anerkannt, dass das Vorkaufsrecht nicht bei anderen Schuldrechtsverhältnissen zwischen diesen Personen begründet wird, so beispielsweise nicht bei gemischter Schenkung, Einbringung in eine Gesellschaft oder deren Auseinandersetzung oder bei Tausch (speziell für das gemeindliche Vorkaufsrecht: Krämer MittRhNotK 1961, S. 186/204; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rz. 4113a).
Allerdings hat die höchstrichterlic...