Leitsatz (amtlich)
1. Die Bagatellklausel des § 18 Abs. 1, Abs. 2 VersAusglG erfasst auch Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Hat ein Ehegatte zwei oder mehr Anrechte erworben, die zusammen den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG übersteigen, ist der Ausgleich nur nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls durchzuführen.
Normenkette
VersAusglG § 18 Abs. 1-3
Verfahrensgang
AG Erkelenz (Beschluss vom 18.03.2011; Aktenzeichen 12 F 49/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des AG vom 18.3.2011 betreffend die Regelung des Versorgungsausgleichs (Abschnitt II. des Beschlusses) wie folgt ergänzt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der D. (Versicherungskonto-Nr.: 25 240978 T 513) zugunsten des Ehemannes ein Anrecht i.H.v. 4,9987 Entgeltpunkten Ost auf dessen Versicherungskonto-Nr.: 25 170771 D 028 bei der D., bezogen auf den 31.4.2010, übertragen.
Im Hinblick auf das vom Ehemann bei der D. erworbene Anrecht mit einem Ausgleichswert von 0,5621 Entgeltpunkten Ost findet ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.
Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 1.440 EUR.
Gründe
I. Die Parteien haben am 2.2.1996 geheiratet und sind mit dem zum Versorgungsausgleich angefochtenen Beschluss des AG vom 18.3.2011 geschieden worden.
Beide Ehegatten haben in der Ehezeit (1.2.1996 - 30.4.2010) gesetzliche Rentenanwartschaften angleichungsdynamischer und nicht angleichungsdynamischer Art erworben; wegen der Auskünfte der D. vom 9.9.2010 betreffend den Ehemann und vom 17.2.2011 betreffend die Ehefrau wird auf Bl. 58 ff. VA-Heft bzw. Bl. 82 ff. VA-Heft verwiesen. Ferner hat der Ehemann zwei Anrechte der betrieblichen Altersversorgung, von denen eines einen geringfügigen Ausgleichswert hat.
Das AG hat die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Eheleute nicht angleichungsdynamischer Art und das Anrecht des Ehemann aus der betrieblichen Altersversorgung mit einem Ausgleichswert von 11.666 EUR intern geteilt. Eine Entscheidung bezüglich der angleichungsdynamischen Anrechte ist nicht erfolgt.
Dies rügt die Beschwerdeführerin. Die weiteren Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Ehemann verweist darauf, dass das von ihm erworbene angleichungsdynamische Anrecht einen geringfügigen Ausgleichswert habe.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Teilungsanordnungen betreffend die angleichungsdynamischen Anrechte hat das AG ersichtlich versehentlich unterlassen; die Regelungen waren daher nachzuholen.
Sie führen zum Ausgleich des von der Ehefrau erworbenen Anrechts bei der D. i.H.v. 4,9987 Entgeltpunkten Ost zugunsten des Antragstellers; hinsichtlich des von diesem erworbenen Anrechts i.H.v. 0,5621 Entgeltpunkten Ost ist der Versorgungsausgleich gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG auszuschließen.
Ein Ausschluss beider Anrechte nach § 18 Abs. 1 VersAusglG kommt nicht in Betracht. Die von den Eheleuten erworbenen angleichungsdynamischen Anrechte sind zwar gleichartig im Sinne dieser Regelung; ihre Wertdifferenz ist aber nicht geringfügig i.S.v. § 18 Abs. 3 VersAusglG: Sie beträgt nämlich 26.776,61 EUR - 3.011,01 EUR = 23.766 EUR und liegt daher oberhalb des Grenzwerts von 120 % der Bezugsgröße des § 18 Abs. 1 SGB IV (= 3.066 EUR zum Ende der Ehezeit).
Allerdings liegt der korrespondierende Kapitalwert des angleichungsdynamischen Anrechts der Ehefrau unter diesem Grenzbetrag; es ist daher nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich auszunehmen, da besondere Gründe für die Durchführung des Ausgleichs nicht ersichtlich sind.
Für diese Bewertung im Rahmen des § 18 Abs. 2 VersAusglG ist nicht die Summe der korrespondierenden Kapitalwerte der Ost- und West-Anwartschaften (hier: 41.883,08 EUR + 3.011,01 EUR = 44.894,09 EUR) maßgeblich.
Dieser Ansatz wird teilweise vertreten: Bei Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG seien die auf Entgeltpunkten und die auf Entgeltpunkten (Ost) beruhenden Anrechte eines Ehegatten regelmäßig als Einheit anzusehen mit der Folge, dass nicht eines der beiden (Teil-)Anrechte wegen Geringfügigkeit seines Ausgleichswerts vom Versorgungsausgleich auszunehmen sei (so OLG Celle v. 4.3.2010, FamRZ 2010, 979). Denn aus den Entgeltpunkten werde bei Eintritt eines Versorgungsfalls eine einheitliche Rente berechnet.
Nach weiteren Entscheidungen sollen auch bei dem Vergleich nach § 18 Abs. 1 VersAusglG Ost- und West-Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung als Anrechte gleicher Art behandelt werden (vgl. dazu z.B. OLG Oldenburg vom 7.9.2010, FamRZ 2011, 643; OLG Dresden v. 2.6.2010, FamRZ 2011, 40 und v. 14.6.2011, FamRZ 2010, 1804).
Der Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an:
Eine solche Ausnahme für Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht angezeigt. Sie findet keine Stütze im Gesetz, sondern widerspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung, nach der nicht gleichartige Anrechte (so ausdrücklich § 120f SGB VI für angleichungsdynamische und nichtangle...