Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamer Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer, durch den das Sondernutzungsrecht eines Miteigentümers entzogen wird

 

Leitsatz (amtlich)

Die Wohnungseigentümer können einem Miteigentümer ein Sondernutzungsrecht an einem dem Gemeinschaftseigentum unterliegenden Spitzboden ihres Hauses durch Vereinbarung, die auch konkludent oder durch stillschweigendes Verhalten zustande kommen kann, einräumen.

Ein auf diese Weise eingeräumtes Sondernutzungsrecht kann nicht durch einen (Mehrheits-)Beschluss entzogen werden.

 

Normenkette

WEG § 15 Abs. 1, § 13 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Beschluss vom 19.02.2003; Aktenzeichen 11 T 314/02)

AG Duisburg-Ruhrort (Beschluss vom 04.10.2002; Aktenzeichen 13 II 8/02 WEG)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert:

Der Beschluss des AG vom 4.10.2002 wird aufgehoben, soweit er den Antrag des Beteiligten zu 3) zurückweist.

Es wird festgestellt, dass der zu TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 21.12.2001 gefasste Beschluss nichtig ist.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz tragen die Beteiligten zu 1) und 2) sowie der Beteiligte zu 3) je zur Hälfte. Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde werden den Beteiligten zu 1) und 2) auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 10.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage O. in … . Der Beteiligte zu 3) baute in der Vergangenheit den von seinem Sondereigentum aus zugänglichen, zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Spitzboden im Dach des Hauses aus und nutzt diesen seither. In einer Wohnungseigentümerversammlung vom 21.4.1999, an der sämtliche Eigentümer teilgenommen hatten, trafen die Miteigentümer zu TOP 8 folgende Regelung:

„Ausscheiden des Herrn A.”

Nach eingehender Diskussion wurde zur Ausräumung der bestehenden Probleme Folgendes vereinbart:

… die installierte Sauna wird durch A. bei Auszug ausgebaut, das Blockhaus verbleibt in Gemeinschaftseigentum.

– der durch A. durchgeführte Dachausbau wird nachträglich genehmigt, es wird ihm jedoch auferlegt, eine Baugenehmigung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung beizubringen …

Mit den vorstehenden Vereinbarungen erklärten sich alle einverstanden.”

Gemäß Protokoll vom 2.5.2000 beschlossen die Miteigentümer später einstimmig, dass das Saunagebäude nach Ausscheiden des Beteiligten zu 3) den übrigen Eigentümern zur alleinigen Nutzung überlassen wird und im Gegenzug hierzu der Spitzboden in der Wohnung des A. dem nachfolgenden Eigentümer der Wohnung zur alleinigen Verfügung steht.

In einer weiteren Eigentümerversammlung wurde gem. Protokoll vom 20.2.2001 unter TOP 4 festgehalten, dass – wie bereits auf der vorhergehenden ordentlichen Eigentümerversammlung beschlossen, der vormals im Gemeinschaftseigentum stehende Spitzboden im Sondereigentum des A. verbleibt.

In der Eigentümerversammlung vom 21.12.2001 fassten die Miteigentümer mehrheitlich unter TOP 2 folgenden Beschluss:

„Rückbau Spitzboden”

Herr A. hat unverzüglich bis zum 31.1.2002 den widerrechtlich in Besitz genommenen Spitzboden des Haupthauses zu verschließen und der Gemeinschaft wieder zu übereignen.”

Mit Schriftsatz vom 30.1.2002 hat der Beteiligte zu 3) u.a. diesen Beschluss angefochten. Er vertritt die Ansicht, die nunmehr getroffene Regelung widerspreche den früheren Beschlüssen und sei daher ungültig.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) ist beim LG ohne Erfolg geblieben. Gegen den Beschluss der Kammer wendet sich der Beteiligte zu 3) nunmehr mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

Im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Die Kammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt: Der Beteiligte zu 3) habe den Beschluss zu TOP 2 der Eigentümerversammlung nicht rechtzeitig innerhalb der nach § 23 Abs. 4 S. 2 WEG bestimmten Monatsfrist angefochten. Diese Ausschlussfrist gelte zwar nicht für nichtige Beschlüsse. Mit dem von dem Beteiligten zu 3) beanstandeten Beschluss verlange die Eigentümergemeinschaft Rückgabe des im Gemeinschaftseigentum befindlichen Spitzbodens. Ein solcher Beschluss sei als Mehrheitsbeschluss nur dann nichtig, wenn er dem Beteiligten zu 3) ein zuvor wirksam eingeräumtes Sondernutzungsrecht entziehen würde. Denn nach der Rspr. des BGH im Beschluss vom 20.9.2000 könnten Sondernutzungsrechte nicht durch Mehrheitsbeschluss begründet, geändert oder aufgehoben werden. Dem Beteiligten zu 3) sei aber zuvor ein Sondernutzungsrecht nicht wirksam eingeräumt worden. Bei der zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 2.5.2000 getroffenen Regelung handele es sich um einen bloßen Beschluss, der die erforderliche Vereinbarung nicht ersetze. Der Wohnungseigentümergemeinschaft habe die Besch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?