Leitsatz (amtlich)
1. Wenn ein kommunaler Zweckverband als öffentlicher Aufgabenträger des Personennahverkehrs mit einem Eisenbahnunternehmen einen Vertrag abschließen will, der vorsieht, dass das Eisenbahnunternehmen auf einer bestimmten Strecke Verkehrsdienste im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zur Bedienung der Allgemeinheit erbringt, dabei selbst Vertragspartner seiner Fahrgäste wird, vom kommunalen Zweckverband jedoch einen der Sicherstellung des SPNV dienenden Zuschuss erhält, der das mit der Erbringung der vergebenen Verkehrsdienstleistungen verbundene wirtschaftliche Risiko i.E. ganz oder zumindest ganz überwiegend auf den Zweckverband verlagert, so handelt es sich nicht um eine Dienstleistungskonzession, sondern um einen dem Vergaberecht unterfallenden öffentlichen Dienstleistungsauftrag.
2. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 AEG, wonach es im Ermessen der zuständigen Behörde steht, ob die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnunternehmen ausgeschrieben wird oder nicht, steht der Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens nicht entgegen, das Verkehrsdienstleistungen zum Gegenstand hat, die die zuständige Behörde tatsächlich europaweit ausgeschrieben hat.
3. Beanstandet ein Bieter, dass der öffentliche Auftraggeber die falsche Vergabeart (Verhandlungsverfahren statt des gebotenen offenen Verfahrens) gewählt hat, so muss er, wenn er am Verhandlungsverfahren teilgenommen hat, für seine Antragsbefugnis darlegen, dass und inwieweit er im Falle eines offenen Verfahrens ein anderes chancenreicheres Angebot abgegeben haben würde, als er dies im Rahmen des tatsächlich durchgeführten Verhandlungsverfahrens getan hat.
4. Falls ein Eisenbahnunternehmen in der Vergangenheit staatliche Zuschüsse (z.B. für die Fahrzeugbeschaffung oder den Bau von Betriebshöfen oder Werkstätten) erhalten hat, ist ein öffentlicher Auftraggeber in einem Vergabeverfahren über Verkehrsdienstleistungen selbst dann, wenn es sich bei jenen staatlichen Zuschüssen um der EU-Kommission anzuzeigende Beihilfen gehandelt hat und die Notifizierung bei der EU-Kommission unterblieben ist, nicht verpflichtet, die Preise des Angebots eines solchen am Vergabeverfahren teilnehmenden Eisenbahnunternehmens um die europarechtswidrig erhaltenen Beihilfen – durch Anhebung der Angebotspreise – zu bereinigen und damit die bei der EU-Kommission nicht notifizierten Beihilfen in der Angebotswertung zu neutralisieren. Bei der EU-Kommission nicht notifizierte Beihilfen, die ein Bieter erhalten hat, sind nach den bestehenden Vorschriften nur im Zusammenhang mit der Befugnis des Auftraggebers relevant, Angebote mit einem ungewöhnlich niedrigen Preis auszuschließen (vgl. § 25b Nr. 2 Abs. 3 VOL/A, § 11 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A-SKR).
Normenkette
GWB § 97 Abs. 1, §§ 99, 101, 107 Abs. 2; EG Art. 88 Abs. 3; Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) § 15 Abs. 2; VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2 u. 25b Nr. 2 Abs. 3; VOL/A-SKR § 11 Nr. 2 Abs. 3
Verfahrensgang
Vergabekammer Düsseldorf (Aktenzeichen VK - 5/2002 - L) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 18.4.2002 (VK – 5/2002 – L) aufgehoben.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Ihr fallen darüber hinaus die notwendigen Auslagen zur Last, die den Antragsgegnern in beiden Instanzen und der Beigeladenen zu 1) im Beschwerdeverfahren entstanden sind.
III. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war sowohl für die Antragsgegner als auch für die Beigeladene zu 1) erforderlich.
IV. Der Beschwerdewert wird festgesetzt werden, sobald die Verfahrensbeteiligten hierzu Stellung genommen haben.
Gründe
I. Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Vergabekammerbeschlusses und zur Verwerfung des Nachprüfungsantrags. Zwar ist – wie die Vergabekammer zutreffend angenommen hat – das Vergabenachprüfungsverfahren als solches eröffnet. Die von der Antragstellerin reklamierten Rechtsfehler können indes von ihr nicht zulässigerweise zum Gegenstand einer Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen gemacht werden.
A. Das streitbefangene Ausschreibungsverfahren der Antragsgegner unterliegt dem Vergaberechtsregime; es ist mithin auch einer Nachprüfung durch die Vergabekammer und den Vergabesenat unterworfen.
Gegenstand der ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen ist eine Dienstleistung i.S.v. §§ 97 Abs. 1, 99 Abs. 1 und 3 GWB und keine – dem Vergaberecht nicht unterfallende – Dienstleistungskonzession.
Die in den §§ 97 bis 129 GWB normierten Vergabevorschriften gelten bei der Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber (§ 97 Abs. 1 GWB). § 99 Abs. 1 GWB konkretisiert den sachlichen Anwendungsbereich des Vergaberechts durch eine Legaldefinition des Begriffs „öffentliche Aufträge”. Danach sind – soweit vorliegend von Interesse – öffentliche Aufträge entg...