Leitsatz (amtlich)
1. Ansprüche aus einer Brautgabevereinbarung zwischen Ehegatten mit ursprünglich ausschließlicher iranischer Staatsangehörigkeit, die nachträglich auch die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, beurteilen sich gemäß Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens nach iranischem Recht, soweit es um den abgeschlossenen Sachverhalt der Vereinbarung der Brautgabe und die Frage der ursprünglichen Wirksamkeit dieser Abrede geht. Demgegenüber richten sich nach Hinzuerwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei gewöhnlichem Aufenthalt der Ehegatten in Deutschland die rechtlichen Wirkungen der Brautgabevereinbarung im Übrigen und damit insbesondere auch die Frage einer Störung der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 BGB gemäß Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nach deutschem Recht.
2. Wenn der aus einem Brautgabeversprechen berechtigten Ehefrau nach einem Wechsel des Scheidungs- und Folgesachenstatuts Ansprüche aus dem deutschen Scheidungsfolgenrecht zustehen, kann gemäß § 313 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Herabsetzung der Brautgabe geboten sein. Ist der zur Leistung der Brautgabe verpflichtete Ehemann in der Scheidungsfolgesache Versorgungsausgleich im Saldo ausgleichspflichtig, kann die Brautgabevereinbarung gemäß § 313 BGB dergestalt anzupassen sein, dass die Brautgabe um den der Ehefrau zustehenden Kapitalwert des Saldos aus dem Wertausgleich nach §§ 10 ff. VersAusglG gekürzt wird.
Normenkette
BGB §§ 280-281, 313; EGBGB Art. 6, 14; iranisches FamSchG § 22; ZGB IRN Art. 1062; ZGB IRN Art. 1292
Verfahrensgang
AG Neuss (Aktenzeichen 46 F 127/21) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuss vom 24.05.2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 467 Bahar Azadi Goldmünzen nach Maßgabe der Heiratsurkunde des Notariats Nr. ... in Teheran vom 16.05.1996 herauszugeben.
2. Dem Antragsgegner wird zur Erfüllung der Herausgabeverpflichtung gemäß Nr. 1 eine Frist von drei Wochen ab Rechtskraft dieser Entscheidung gesetzt.
3. Für den Fall, dass die Herausgabeverpflichtung gemäß Nr. 1 nicht fristgemäß erfüllt wird, wird der Antragsgegner verpflichtet, stattdessen 244.389,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem auf den Ablauf der Frist folgenden Tag an die Antragstellerin zu zahlen.
4. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Antragstellerin zu 1/3 und der Antragsgegner zu 2/3.
III. Beschwerdewert: bis 320.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Ansprüche aus einer Brautgabevereinbarung.
Sie heirateten am 18.08.1995 vor dem Standesamt B. und am 16.05.1996 in Teheran. Seinerzeit waren sie ausschließlich iranische Staatsangehörige. In der Heiratsurkunde lfd. Nr. ... des Heiratsnotariats Nr. ... in Teheran ist folgende Vereinbarung der Beteiligten niedergelegt:
"Morgengabe (Brautgeld)...
Ein Band "Worte des Allmächtigen Gottes" (Koran), Spiegel und Kerzenständer im Gesamtwert von 1.440.000 Rial, die die Ehefrau bereits erhalten hat, sowie 700 volle Bahar Azadi Goldmünzen, welche der Ehemann nach Einverständnis und Zustimmung der Ehefrau ihr schuldet und aushändigen muss, sobald er von ihr dazu aufgefordert wird."
Die Beteiligten wohnen in Deutschland. Beide besitzen inzwischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit, und zwar die Antragstellerin seit August 2000, der Antragsgegner seit März 2001. Jedenfalls seit dem 09.06.2020 leben sie dauerhaft voneinander getrennt. Das auf Antrag des Antragstellers eingeleitete Scheidungsverfahren ist bei dem Amtsgericht seit dem 11.01.2022 rechtshängig.
Mit vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 16.09.2020 und vom 03.09.2021 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner unter Fristsetzung erfolglos zur Zahlung von 700 Bahar Azadi Goldmünzen auf.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie nach Maßgabe der Heiratsurkunde der Beteiligten, lfd. Nr.: ... des Notariats Nr. ... in Teheran vom 16.05.1996, 700 Bahar Azadi Goldmünzen herauszugeben;
2. dem Antragsgegner zur Herausgabe der 700 Bahar Azadi Goldmünzen eine Frist von 3 Wochen nach Rechtskraft des Beschlusses zu setzen;
3. dem Antragsgegner für den Fall, dass die vorgenannte Frist zu Ziffer 2. fruchtlos abläuft, aufzugeben, an sie einen Zahlbetrag des Wertes 700 Bahar Azadi Goldmünzen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, mindestens aber 289.303,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2020 zu zahlen;
4. dem Antragsgegner aufzugeben, an sie nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.046,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.09.2021 zu zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat geltend gemacht, bei der Brautgabe handele es sich ...